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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Arsch ab.«
    Ich dankte der Frau und ging mit Louis weg. Sie schloss die Tür hinter uns.
    »Sagt nicht viel«, sagte Louis.
    »Sie ist taubstumm.«
    »Das würde es erklären. Aber eine gutaussehende Frau, wenn man auf den ruhigen Typ steht.«
    »Hast du schon mal dran gedacht, zum Sensibilitätstraining zu gehen?«, fragte ich.
    »Meinst du, das nützt was?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Tja, da hast du’s.«
    Am Ende der Straße blieb Louis stehen und warf einen Blick zurück zur nächsten Ecke. Ein Taxi tauchte auf. Er hielt es an, und wir fuhren weg, ohne irgendwelche Verfolger zu sehen. Der Taxifahrer schien eher mit seinem Bluetooth-Gespräch befasst zu sein als mit uns, aber sicherheitshalber wechselten wir das Taxi, bevor wir zu der Wohnung zurückkehrten.

30
    Jimmy Gallagher hatte nie geglaubt, dass er Geheimnisse wahren konnte. Es war nicht seine Art. Er war redselig. Er trank gern und erzählte dann Geschichten. Wenn er trank, machte sich seine Zunge selbständig und kannte kein Halten mehr. Er sagte irgendwelche Sachen und fragte sich dann, woher sie kamen, so als stünde er neben sich und sehe einem Fremden zu. Aber er wusste, wie wichtig es war, über die Herkunft von Will Parkers Sohn Stillschweigen zu wahren, und auch in seinem Leben gab es ein paar Sachen, die er verheimlichte. Dennoch hatte er sich von dem Jungen und seiner Mutter ferngehalten, nachdem Will sich umgebracht hatte. Er hatte es Gefühl, dass es besser war, von ihnen wegzu­bleiben, als Gefahr zu laufen, dass er im Beisein des Jungen irgendetwas sagte, das ihn Verdacht schöpfen ließ, oder seine Mutter zu beleidigen, wenn er von Sachen sprach, die lieber verborgen bleiben sollten. Und trotz seiner zahlreichen Fehler hatte er in all den Jahren, seit Elaine Parker mit ihrem Sohn nach Maine gezogen war, nie über das gesprochen, was er wusste.
    Aber er hatte immer vermutet, dass Charlie Parker zu ihm kommen würde. Fragen zu stellen und sich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben, war einfach seine Art. Er war ein Jäger und hatte eine Hartnäckigkeit an sich, die ihn, wie Jimmy glaubte, letztlich das Leben kosten würde. Irgendwann würde er zu weit gehen und sich mit Angelegenheiten befassen, die man lieber nicht genauer untersuchen sollte, und irgendetwas würde ihn vernichten, davon war Jimmy überzeugt. Vielleicht erwies sich die Fragerei nach seiner Identität und Herkunft als genau dieser Fehler.
    Er trank den letzten Schluck Wein und spielte mit dem Glas herum, so dass Spiegelungen des Kerzenlichts über die Wand flackerten. Er hatte noch eine halbe Flasche übrig, die neben der Spüle stand. Vor einer Woche hätte er sie ausgetrunken und vielleicht noch eine weitere aufgemacht, aber heute nicht. Das Bedürfnis, mehr zu trinken, als er sollte, war irgendwie vergangen. Ihm war klar, dass es etwas damit zu tun hatte, dass er jetzt ein reines Gewissen hatte. Er hatte Charlie Parker alles erzählt, was er wusste, und jetzt war er erleichtert.
    Und dennoch hatte er das Gefühl, dass durch seine Beichte eine Verbindung zwischen ihnen gekappt worden war. Es waren nicht unbedingt Vertrauensbande, denn er und Charlie hatten sich nie nahegestanden und würden es auch nie. Er hatte von klein auf gespürt, dass dem Jungen in seiner Gegenwart unwohl wahr. Aber andererseits war Jimmy auch nie richtig dahintergekommen, wie man Zugang zu Kindern fand. Seine Schwester war mehr als fünfzehn Jahre älter als er, und er war sich in jungen Jahren immer wie ein Einzelkind vorgekommen. Andererseits waren seine Eltern auch schon alt gewesen, als er geboren war. Alt. Er kicherte. Was waren sie gewesen: achtunddreißig, neununddreißig? Dennoch hatte es immer wenig Verständnis zwischen seinen Eltern und ihrem Sohn gegeben, obwohl er sie beide von Herzen geliebt hatte, und die Kluft zwischen ihnen war eher größer geworden, je älter er wurde. Sie hatten nie über seine sexuelle Orientierung gesprochen, auch wenn ihm immer klar gewesen war, dass seiner Mutter und vielleicht auch seinem Vater bewusst war, dass ihr Sohn nie eins der Mädchen heiraten würde, die ihn gelegentlich zu Tanzveranstaltungen oder ins Kino begleiteten.
    Und er erkannte zwar seine Bedürfnisse, lebte sie aber nicht aus. Teilweise aus Angst, fand er. Seine Kollegen bei der Polizei sollten nicht erfahren, dass er schwul war. Sie waren seine Familie, seine wahre Familie. Er wollte sie nicht vor den Kopf stoßen. Und auch jetzt, da er im Ruhestand war, blieb er Jungfrau.

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