Der Pakt der Liebenden

anfechten, aber Aimee war sich nicht sicher, ob das etwas nützen würde. Die Staatspolizei hatte letztlich darüber zu befinden, ob jemand eine Lizenz bekam, und jedes Gericht in Maine würde sich vermutlich an ihrer Entscheidung orientieren.
    Mein Waffenschein war ebenfalls eingezogen worden, auch wenn mir und meiner Anwältin immer noch nicht klar war, inwieweit dieser Entzug gültig war. Ursprünglich hatte man mir befohlen, jede Waffe, die ich besaß, bis zum Abschluss einer »Untersuchung«, wie es vage hieß, abzugeben, und dazu erklärt, dass es sich um eine vorübergehende Maßnahme handelte.
    Ich hatte meine offiziell zugelassenen Schusswaffen ausgehändigt (und die nicht angemeldeten versteckt, nachdem ich einen anonymen Hinweis erhalten hatte, dass die Cops mit einer Vollmacht anrückten), sie aber anschließend zurückerhalten, als klar wurde, dass die Aufforderung zur Abgabe rechtlich fragwürdig war und möglicherweise gegen den zweiten Verfassungszusatz verstieß. Weniger anfechtbar war hingegen die Entscheidung, meine für den Staat Maine geltende Erlaubnis zum Führen einer verdeckten Waffe mit der Begründung zu widerrufen, dass ich mich durch mein früheres Verhalten als »dafür ungeeignet« erwiesen hätte. Aimee war auch damit befasst, aber bislang sah es so aus, als würde eine Ziegelmauer eher nachgeben als die Staatspolizei. Ich sollte bestraft werden, aber wie lange diese Bestrafung dauern sollte, war noch nicht abzusehen.
    Jetzt arbeitete ich als Barchef im Great Lost Bear in Portland, was keine schlechte Arbeit war und normalerweise nur vier Tage die Woche in Anspruch nahm, aber sie entsprach nicht ganz meinen Fähigkeiten. Die einheimischen Ordnungshüter hatten meiner misslichen Lage wegen nicht allzu viel Mitgefühl mit mir. Ich konnte mich nicht entsinnen, womit ich mir so viele Feinde gemacht hatte, bis Aimee sich die Mühe machte, es mir darzulegen, und danach wurde alles ein bisschen klarer.
    Seltsamerweise störte mich das Ganze nicht so sehr, wie Hansen und seine Vorgesetzten vielleicht dachten. Es hatte mich in meinem Stolz verletzt, und meine Anwältin kämpfte in meinem Namen teilweise des Prinzips wegen, hauptsächlich aber, weil ich nicht wollte, dass sie dachten, ich würde auf ihr Geheiß hin einfach umfallen und sterben. Aber in gewisser Hinsicht fand ich mich damit ab, dass ich nicht als Privatdetektiv praktizieren konnte. Es gab mir mehr Freiheit und erlöste mich von der Pflicht, anderen zu helfen. Falls ich einen Fall annehmen sollte, und sei es auch nur inoffiziell, würde ich wahrscheinlich im Gefängnis landen. Die Maßnahmen der Staatspolizei erlaubten es mir, selbstsüchtig zu sein und meine eigenen Ziele zu verfolgen. Trotzdem hatte es ein paar Monate gedauert, bis ich mich entschied, was ich machen wollte.
    Auch wenn Durand, der alte Mann, mit dem ich mich am späten Nachmittag unterhalten hatte, gegenteiliger Ansicht sein mochte, war mir die Entscheidung, mich mit meiner Vergangenheit zu befassen und die Umstände zu untersuchen, die zum Tod meines Vater geführt hatten, nicht leichtgefallen. Ein Mann, ein übler Mann, der sich Kushiel nannte, aber eher als der Kollektor bekannt war, hatte mir zugeflüstert, dass es in meiner Familie Geheimnisse gebe und ich aufgrund meiner Blutgruppe nicht von meinen mutmaß­lichen Eltern abstammen könne. Eine Zeitlang versuchte ich zu verdrängen, was er gesagt hatte. Ich wollte es nicht glauben. Ich denke, dass ich den Job in der Bar als eine Art Ausweg annahm. Ich tauschte meine Verpflichtung gegenüber Klienten mit der Pflicht gegenüber Dave Evans ein, einem der Besitzer des Bear und dem Mann, der mir den Job angeboten hatte. Aber als die Zeit verging und es wieder Winter wurde, traf ich eine Entscheidung.
    Denn der Kollektor hatte nicht gelogen, nicht ganz. Die Blutgruppen stimmten nicht überein.
    Als das neue Jahr anbrach, fing ich an, Fragen zu stellen. Ich versuchte mit den Leuten Kontakt aufzunehmen, die meinen Vater gekannt hatten, und vor allem mit den Cops, die mit ihm gearbeitet hatten. Einige waren tot. Andere waren in den Ruhestand gegangen und von der Bildfläche verschwunden, wie es manchmal vorkommt, wenn jemand seine Zeit abgerissen hat, nur noch seine Pension kassieren und alles hinter sich lassen will. Aber ich kannte die Namen der beiden Männer, die meinem Vater besonders nahegestanden hatten, Streifenpolizisten, die mit ihm die Akademie ­absolviert hatten: Eddie Grace, der zwei Jahre älter war