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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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sein. Seitdem hatte Jimmy immer allein in Bensonhurst gewohnt.
    Von außen sah das Haus noch fast genauso aus, wie ich es in ­Erinnerung hatte, mit einem gepflegten Garten und unlängst frisch gestrichen. Ich wollte gerade klingeln, als die Tür aufging und Jimmy Gallagher vor mir stand, älter und grauer, aber immer noch eindeutig der gleiche große Mann, der meine Hand gedrückt hatte, damit ich mir den Dollar verdiente, der im Angebot war. Sein Gesicht war jetzt roter, und obwohl er eindeutig etwas Sonne abbekommen hatte, deutete der rosige Hauch darauf hin, dass er dem Alkohol stärker zusprach, als es klug war.
    Ansonsten war er in guter Verfassung. Er trug ein frisch gebügeltes weißes Hemd mit offenem Kragen und eine graue Hose mit rasiermesserscharfen Bügelfalten. Seine schwarzen Schuhe waren frisch geputzt und gewienert. Er sah aus wie ein Chauffeur, der den letzten Moment seiner Freizeit genießt, bevor er sich endgültig mit seiner Uniform in Schale wirft.
    »Charlie«, sagte er. »Lang, lang ist’s her.« Wir schüttelten uns die Hand, und er grinste freundlich und klopfte mir mit seiner feisten Linken auf die Schulter. Er war immer noch zehn, zwölf Zentimeter größer als ich, und ich kam mir sofort wieder vor wie mit zwölf Jahren.
    »Krieg ich jetzt einen Dollar?«, fragte ich, als er meine Hand losließ.
    »Du gibst ihn nur für Alkohol aus«, sagte er und bat mich hinein. In der Diele standen eine mächtige Garderobe und eine Großmutteruhr, die offenbar immer noch genau ging. Ihr lautes Ticken hallte vermutlich durchs ganze Haus. Ich fragte mich, wie Jimmy schlafen konnte, wenn er ständig das Geräusch im Kopf hatte, aber vermutlich hatte er es so lange gehört, dass er es kaum noch wahrnahm. Eine Treppe mit geschnitzten Mahagonistufen führte in den ersten Stock, und zur Rechten befand sich das Wohnzimmer, das ausschließlich mit Antiquitäten eingerichtet war. Am Kaminsims und an den Wänden waren Fotos, und auf einigen waren Männer in Uniform zu sehen. Ich sah unter anderem auch meinen Vater, fragte Jimmy aber nicht, ob ich sie mir genauer anschauen dürfte. Die Tapete in der Diele war rot und weiß gemustert und allem Anschein nach neu, doch sie sah aus, als stammte sie aus der Zeit um die Jahrhundertwende, und passte zur übrigen Ausstattung.
    Auf dem Küchentisch standen zwei Tassen, dazu ein Teller mit Gebäck, und auf dem Ofen zog eine Kanne Kaffee. Jimmy goss Kaffee ein, und wir setzten uns an den kleinen Küchentisch.
    »Nimm dir ein Stück Gebäck«, sagte Jimmy. »Die sind von Villabate. Der Beste in der Stadt.«
    Ich brach eines auseinander und kostete es. Es war gut.
    »Weißt du, dein alter Herr hat immer drüber gelacht, dass du dir von dem Geld, das ich dir gegeben habe, Alkohol gekauft hast. Er hat’s dir nie erzählt, weil deine Mutter gedacht hat, die Welt ginge unter, als sie die Flasche gefunden hat. Aber er hat gesehen, dass du erwachsen wirst, und das hat ihm einen Riesenspaß gemacht. Allerdings hat er immer gesagt, ich hätte dich überhaupt auf die Idee gebracht, aber er konnte niemand lange böse sein, und dir schon gar nicht. Du warst sein Goldjunge. Er war ein guter Mann. Möge Gott ihn in Frieden ruhen lassen. Möge er sie beide in Frieden ruhen lassen.«
    Er knabberte nachdenklich an seinem Gebäck, und wir schwiegen eine Zeitlang. Dann warf Jimmy einen Blick auf seine Uhr. Es war keine beiläufige Geste. Er wollte, dass ich es sah, und in meinem Kopf ging ein Warnlaut los. Jimmy war nicht ganz wohl zumute. Es war nicht nur einfach so, dass der Sohn seines alten Freundes, eines Mannes, der zwei andere Menschen und dann sich selbst umgebracht hatte, hier in seiner Küche saß und offenbar die Asche von längst erloschenen Bränden durchrechen wollte. Dahinter steckte mehr. Jimmy wollte mich überhaupt nicht hierhaben. Er wollte, dass ich ging, und zwar je früher, desto besser.
    »Ich habe eine Sache«, sagte er, als er sah, dass ich die Bewegung bemerkt hatte. »Ein paar alte Freunde, die mal wieder zusammenkommen. Du weißt ja, wie das ist.«
    »Irgendjemand, den ich kenne?«
    »Nein, keiner. Die sind alle nach deinem Vater gekommen.« Er lehnte sich zurück. »Das ist also kein zwangloser Besuch, oder, Charlie?«
    »Ich habe ein paar Fragen«, sagte ich. »In Bezug auf meinen Vater und das, was an dem Abend passiert ist, als diese Kids umgekommen sind.«
    »Tja, bei den tödlichen Schüssen kann ich dir nicht groß helfen. Ich war nicht da. Ich habe deinen

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