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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Blocks umfassende Enklave an der Bath Avenue zurückgedrängt worden.
    Ich war immer noch zwei Stunden zu früh für mein Treffen mit Jimmy. Ich wusste, dass er jeden Sonntag zur Kirche ging, aber selbst wenn er daheim sein sollte, würde er sich ärgern, wenn ich zu früh kam. Auch das war typisch Jimmy. Er legte Wert auf Pünktlichkeit und hielt nicht viel von Leuten, die zu früh oder zu spät kamen. Deshalb unternahm ich einen Spaziergang entlang der 18th Avenue, um in Stella’s Diner an der 63rd Street zu frühstücken, wo mein Vater und ich ein paar Mal mit Jimmy gegessen hatten, obwohl er fast zwanzig Blocks entfernt wohnte. Doch Jimmy war mit den Besitzern befreundet, und sie achteten immer darauf, dass er gut versorgt wurde.
    Die 18th Avenue trug zwar noch immer den Namen Cristoforo Colombo Boulevard, doch die Chinesen hatten ihre Duftmarke gesetzt, und ihre Restaurants, Friseursalons, Beleuchtungsläden und Geschäfte für Aquarienzubehör standen neben italienischen Anwaltskanzleien, Gino’s Foccaceria, Queen Ann’s Gourmet Pasta und dem Arcobaleno Italiano, einem Musik- und DVD -Laden, vor dem alte Männer auf Bänken saßen und der Straße den Rücken zukehrten, als wollten sie damit ihre Unzufriedenheit über die Veränderungen kundtun, die dort vonstatten gegangen waren. Die alte Cotillion Terrace war mit Brettern vernagelt, nur die zwei rosa Cocktails zu beiden Seiten der Markise blubberten noch trübselig vor sich hin.
    Als ich zu Stella’s kam, gab es das auch nicht mehr. Der Name war geblieben, und ich sah, dass noch ein paar Hocker vor dem Tresen standen, ansonsten aber war der Diner ausgeräumt. Wir hatten im Stella’s immer am Tresen gesessen, wenn wir dort aßen, Jimmy links, mein Vater in der Mitte und ich rechts außen. Für mich war das fast so, als säße ich an einer Bar, und ich sah zu, wie die Bedienungen Kaffee eingossen und die Teller zwischen der ­Küche und den Gästen hin und her trugen, und horchte auf die Gesprächsfetzen rundum, während mein Vater und Jimmy leise über Erwachsenensachen redeten. Ich klopfte zum Abschied einmal an die Scheibe, dann ging ich mit meiner New York Times zur Ecke 64th Street und aß in J & V’s Pizzeria, die es schon länger gab als mich, ein Stück Pizza. Als es auf meiner Uhr 11:45 war, machte ich mich auf den Weg zu Jimmys Haus.
    Jimmy wohnte an der 71st Street, zwischen 16th und 17th Avenue, einem Block, der größtenteils aus schmalen Reihenhäusern ­bestand, in einem kleinen, hell verputzten und etwas abgesetzten Einfamilienhaus mit einem schmiedeeisernen Zaun und einem Feigenbaum im hinteren Garten. Nicht weit von einer Gegend entfernt, die immer noch New Utrecht genannt wurde. Dies war eine der sechs ursprünglichen Städte von Brooklyn gewesen, wurde aber in den 1890er Jahren eingemeindet und verlor ihre Identität. Bis 1885 war hier größtenteils Farmland gewesen, bis die Brooklyn, Bath & West End Railroad den Weg für Landerschließer bereitete, von denen einer, ein gewisser James Lynch, eine Vorstadtsiedlung für tausend Familien baute, Bensonhurst-by-the-Sea. Mit der Eisenbahn kamen auch Jimmy Gallaghers Großvater, der leitender Ingenieur bei dem Bauprojekt war, und seine Familie hierher. Nach einigen Umzügen kehrten die Gallaghers schließlich nach Bensonhurst zurück und ließen sich in dem Haus unweit der New Utrecht Reformed Church an der 18th Avenue, Ecke 83rd Street nieder, in dem Jimmy noch immer wohnte.
    Irgendwann kam die U-Bahn und mit ihr die Mittelschicht, darunter Juden und Italiener, die die Lower East Side verließen und in das vergleichsweise weiträumige Brooklyn zogen. Fred Trump, Donalds Vater, hatte sich mit dem Bau der Shore Haven Apartments nahe dem Belt Parkway einen Namen gemacht, mit fünftausend Einheiten das größte private Wohnungsbauprojekt in Brooklyn. Schließlich kamen in den 1950er Jahren die italienischen Einwanderer in voller Stärke, und Bensonhurst wurde vom Blut her zu achtzig Prozent italienisch, dem Ruf nach zu hundert Prozent.
    Ich war nur zweimal mit meinem Vater bei Jimmy zu Hause gewesen, darunter einmal, als wir ihm nach dem Tod seines Vaters unser Beileid aussprachen. Ich konnte mich in diesem Zusammenhang nur noch an eine Wand aus Cops entsinnen, manche in Uniform, manche nicht, während rotäugige Frauen Getränke reichten und flüsternd Erinnerungen an den Verstorbenen austauschten. Kurz danach war seine Mutter nach Gerritsen Beach gezogen, um näher bei ihrer Schwester zu

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