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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Dienstliches«, sagte ich. »Es ist was Persönliches.«
    »Bei dir ist es doch immer etwas Persönliches.«
    »Sonst lohnt es sich ja kaum.«
    »Tja, sei einfach vorsichtig, das ist alles.«
    »Das bin ich.« Ich öffnete die Autotür. »Ich muss dir etwas ­sagen. Ich war vorhin in der Stadt. Ich habe dich gesehen.«
    Ihr Gesicht erstarrte.
    »Wer ist er?«
    »Er heißt Martin«, sagte sie nach einem Moment.
    »Wie lange triffst du dich schon mit ihm?«
    »Nicht lange. Einen Monat vielleicht.« Sie stockte. »Ich weiß nicht, ob es etwas Ernstes ist. Ich wollte es dir sagen. Ich wusste nur noch nicht, wie.«
    Ich nickte. »Ich rufe das nächste Mal an«, sagte ich, dann stieg ich ins Auto und fuhr weg.
    An diesem Tag lernte ich etwas: Es mag Schlimmeres geben, als irgendwo mit seinem Hund hinzukommen und ohne ihn wegzufahren, aber nicht viel.
    Es war eine lange, ruhige Heimfahrt.

Zweiter Teil
    Ein falscher Freund ist gefährlicher als ein offener Feind.
    Francis Bacon (1561–1626)
»A Letter of Advice … to the
Duke of Buckingham«

9
    Fast eine Woche verging, bevor ich wieder nach New York fahren konnte. Nicht dass es eine große Rolle spielte: Der Bear war wieder einmal unterbesetzt, so dass ich zusätzliche Tage einlegen musste, um die anderen etwas zu entlasten, und sowieso nicht runtergekommen wäre, selbst wenn ich es gewollt hätte.
    Ich hatte seit fast einem Monat versucht, Jimmy Gallagher zu erreichen, und auf dem Anrufbeantworter bei ihm zu Hause Nachrichten hinterlassen, aber er hatte sich nicht zurückgemeldet. Diese Woche erhielt ich einen Brief, keinen Anruf, in dem er mir mitteilte, dass er einen längeren Urlaub gemacht habe, um dem New Yorker Winter zu entkommen, aber jetzt sei er wieder in der Stadt und würde sich freuen, wenn er sich mit mir treffen könnte. Der Brief war von Hand geschrieben. Das war typisch Jimmy: Er schrieb Briefe in gestochen schöner Handschrift, mied Computer und meinte, Telefone wären nur da, damit er es bequem hatte, nicht aber andere Leute. Es war ein Wunder, dass er überhaupt einen Anrufbeantworter hatte, aber Jimmy war immer noch gesellig, und der Apparat sorgte dafür, dass er nichts Wichtiges verpasste und sich nicht darum kümmern müsste, wenn ihm etwas nicht gefiel. Was Handys anging, war ich mir ziemlich sicher, dass er sie als Teufelswerk betrachtete, auf einer Ebene mit vergifteten Pfeilspitzen und Leuten, die ihr Essen salzten, ohne es vorher zu kosten. In seinem Brief stand, dass er am Sonntagmittag Zeit für mich hätte. Auch diese Genauigkeit war typisch für Jimmy Gallagher. Mein ­Vater sagte immer, dass Jimmys Polizeiberichte die reinsten Kunstwerke seien. Sie wurden an der Akademie als Idealbeispiele für Schreibarbeiten herumgezeigt, was so ähnlich war, als zeige man einem Haufen Malerlehrlinge die Decke der Sixtinischen Kapelle und erkläre ihnen, dass sie sich so etwas vornehmen sollten, wenn sie die Mauern eines Mietshauses anstrichen.
    Ich buchte den billigsten Flug, den ich finden konnte, landete kurz vor neun am John F. Kennedy Airport und nahm dann ein Taxi nach Bensonhurst. Seit ich ein Junge war, hatte ich mich schon immer schwergetan, Jimmy Gallagher mit Bensonhurst in Ver­bindung zu bringen. Unter all den Orten, die ein irischer Cop, und ein heimlicher Homosexueller zudem, als sein Zuhause wählen konnte, war Bensonhurst in etwa so geeignet wie Salt Lake City oder Kingston, Jamaika. Klar, in der Gegend gab es jetzt Koreaner, Polen, Araber, Russen und sogar Afroamerikaner, aber Bensonhurst hatte immer den Italienern gehört, wenn nicht wortwörtlich, dann zumindest im übertragenen Sinn. Als Jimmy dort aufwuchs, hatte jede Nationalität ihr eigenes Viertel, und wenn man ins falsche geriet, lief man Gefahr, dass man verprügelt wurde, aber die Italiener teilten mehr Prügel aus als alle anderen. Heute ging selbst deren Ära zu Ende. Der Bay Ridge Parkway war zwar immer noch ziemlich fest in italienischer Hand, und in St. Domenic’s an der 20th Street wurde tagtäglich eine Messe auf Italienisch gelesen, aber die Russen, Chinesen und Araber drangen langsam immer weiter vor und übernahmen die Seitenstraßen wie Ameisen, die auf einen Tausendfüßer vorrücken. Die Juden und Iren war unterdessen dezimiert worden, und die Schwarzen, deren Wurzeln in der Gegend bis auf die Underground Railroad zurückreichten, das geheime Netzwerk, das Negersklaven aus den Südstaaten zur Flucht verhalf und in den Norden lotste, waren auf eine vier

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