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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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hatte, seit dem Tag nach dem Tod meines Vaters nicht mehr. Er war überrascht, als sich der Mann persönlich meldete, und fast genauso überrascht war er, dass er noch lebte.
    »Jimmy Gallagher hier.«
    »Ich erinnere mich«, sagte der Mann. »Es ist lange her.«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, aber nicht lange genug.«
    Er meinte etwas gehört zu haben, das ein Lachen hätte sein können. »Nun, was kann ich für Sie tun, Mr. Gallagher?«
    »Charlie Parker war eben hier. Er stellt Fragen nach seinen Eltern. Er hat irgendwas von Blutgruppen gesagt. Er weiß über seine Mutter Bescheid.«
    Am anderen Ende herrschte zunächst Schweigen, dann: »Es war immer klar, dass es dazu kommen würde. Irgendwann musste er es herausfinden.«
    »Ich hab ihm nichts gesagt.«
    »Davon bin ich überzeugt, aber er wird wiederkommen. Er ist zu gut auf seinem Gebiet, als dass er nicht feststellen würde, dass Sie ihn angelogen haben.«
    »Und dann?«
    Die Antwort, als sie denn kam, überraschte Jimmy ein letztes Mal an diesem Tag, der voller unerwünschter Überraschungen war.
    »Dann möchten Sie ihm möglicherweise die Wahrheit sagen.«

10
    Ich verbrachte diese Nacht bei Walter Cole, dem Mann, nach dem ich meinen Hund benannt hatte, und meinen ehemaligen Partner und Mentor beim NYPD , und seiner Frau Lee. Wir aßen zusammen zu Abend und redeten über gemeinsame Freunde, Bücher, Filme und Walters Ruhestand, den er allem Anschein nach hauptsächlich ­damit verbrachte, dass er viel schlief und unter die Fuchtel seiner Frau geriet. Um 22 Uhr gab mir Lee, die noch nie eine Nachtschwärmerin gewesen war, einen Kuss auf die Wange, ging zu Bett und ließ mich und Walter allein. Er warf einen weiteren Holz­kloben ins Feuer, goss sich den letzten Rest Wein ein und fragte mich dann, was ich in der Stadt machte.
    Ich erzählte ihm vom Kollektor, einem heruntergekommenen Mann, der sich für ein Werkzeug der Gerechtigkeit hielt, einem scheußlichen Kerl, der diejenigen umbrachte, die seiner Ansicht nach durch ihr Verhalten ihr Leben verwirkt hatten. Ich erinnerte mich an seinen nach Nikotin stinkenden Atem, als er von meinen Eltern sprach, seinen zufriedenen Blick, als er von Blutgruppen redete, über Dinge, von denen er nichts wissen konnte, es aber trotzdem tat, und daran, wie alles, was ich über mich zu wissen glaubte, in sich zusammenbrach. Ich berichtete ihm von den medizinischen Unterlagen, von meinem mittäglichen Treffen mit Jimmy Gallagher und von meiner Überzeugung, dass er etwas wusste, das er mir nicht anvertraute. Außerdem erzählte ich ihm von etwas, über das ich mit Jimmy nicht gesprochen hatte. Als meine Mutter an Krebs starb, hatte man im Krankenhaus Organproben von ihr aufbewahrt. Über meine Anwältin hatte ich einen DNA -Test vornehmen und einen Abstrich aus meiner Wange mit dem Gewebe meiner Mutter vergleichen lassen. Sie stimmten nicht überein. Einen Vergleich mit der DNA meines Vaters hatte ich nicht durchführen lassen können. Von ihm lagen keine Proben vor. Für einen solchen Test wäre ein Antrag zur Exhumierung seiner sterblichen Überreste erforderlich, und dazu war ich noch nicht bereit. Vielleicht hatte ich auch Angst davor, was man feststellen würde. Nachdem ich die Wahrheit in Bezug auf meine Mutter erfahren hatte, hatte ich geweint. Ich war mir nicht sicher, ob ich bereit war, meinen Vater auf dem gleichen Altar zu opfern wie die Frau, die ich als meine Mutter bezeichnet hatte.
    Walter trank seinen Wein und starrte ins Feuer, ohne etwas zu sagen, bis ich fertig war.
    »Warum hat dir dieser Mann, dieser ›Kollektor‹, all das überhaupt erzählt, diese Wahrheiten und Halbwahrheiten?«, fragte er. Es war die typische Polizistenmethode: Komme nie direkt aufs Wesentliche zu sprechen, sondern kreise es ein. Taste dich vor. Gewinne Zeit, in der du die kleineren Einzelheiten mit den größeren in Verbindung bringen kannst.
    »Weil er sich einen Spaß daraus gemacht hat«, erwiderte ich. »Weil er auf eine Art und Weise grausam ist, die du dir nicht einmal annähernd vorstellen kannst.«
    »Er klingt nicht nach einem Typ, der leichtfertig Andeutungen fallenlässt.«
    »Nein.«
    »Was wiederum heißt, dass er dich dazu verleiten wollte, aktiv zu werden. Er wusste, dass du das nicht auf sich beruhen lassen kannst.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Ich will damit sagen, dass er, nach dem zu schließen, was du mir erzählt hast, Menschen zu seinen Zwecken benutzt. Verdammt, er hat sogar dich benutzt. Pass

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