Der Pakt der Liebenden
gut auf, dass er dich nicht wieder dazu benutzt, jemanden aufzuscheuchen.«
Walter hatte recht. Der Kollektor hatte mich dazu benutzt, die Identität verkommener Männer festzustellen, damit er sie für ihre Vergehen bestrafen konnte. Er war durchtrieben und absolut gnadenlos. Jetzt hatte er sich wieder verkrochen, und ich hatte keine Lust, ihn ausfindig zu machen.
»Aber wenn das stimmt, nach wem hält er dann Ausschau?«
Walter zuckte die Achseln. »Nach dem zu schließen, was du mir erzählt hast, hält er immer nach irgendjemandem Ausschau.«
Dann kamen wir zur Sache.
»Was diese Blutgruppen angeht, tja, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Was für Möglichkeiten gibt es? Entweder bist du von Will und Elaine Parker adoptiert worden und sie haben es dir aus Gründen, die nur sie kennen, verschwiegen, oder Will Parker hat dich mit einer anderen Frau gezeugt, und er und Elaine haben dich als ihr Kind aufgezogen. Das ist alles. Das sind die Möglichkeiten.«
Ich konnte ihm nicht widersprechen. Der Kollektor hatte mir erzählt, dass ich nicht der Sohn meines Vaters sei, aber ich wusste aus Erfahrung, dass der Kollektor nie die Wahrheit sagte, nicht die ganze jedenfalls. Für ihn war alles ein Spiel, ein Mittel, um seine eigenen Interessen durchzusetzen, egal, welche das sein mochten, aber es war stets mit etwas Grausamkeit verbunden. Aber es könnte auch sein, dass er einfach nicht die ganze Wahrheit wusste, sondern nur, dass irgendetwas im Zusammenhang mit meinen Eltern nicht passte. Ich glaubte immer noch nicht, dass ich keine Blutsbande mit meinem Vater hatte. Alles in mir sträubte sich dagegen. Ich hatte mich in ihm gesehen. Ich konnte mich daran erinnern, wie er mit mir geredet hatte, wie er mich angeschaut hatte. Es war anders gewesen als bei der Frau, die ich als meine Mutter kannte. Vielleicht wollte ich einfach nicht zugeben, dass möglicherweise alles eine Lüge war, aber ich würde mich auch nicht damit abfinden, solange ich keine unwiderlegbaren Beweise dafür hatte.
Walter ging zum Feuer, kauerte sich hin und stocherte mit dem Schürhaken darin herum.
»Ich bin jetzt seit neununddreißig Jahren mit Lee verheiratet. Wenn ich sie betrogen hätte und die andere Frau schwanger geworden wäre, hätte Lee meiner Meinung nach alles andere als freundlich auf meinen Vorschlag reagiert, das Kind gemeinsam mit unseren Töchtern aufzuziehen.«
»Auch wenn der Mutter etwas zugestoßen wäre?«
Walter dachte darüber nach. »Ich kann auch hier wieder nur aus eigener Erfahrung sprechen, aber die Belastung, die das für die Ehe bedeuten würde, ist fast unerträglich. Weißt du, jeden Tag mit der Frucht der Untreue deines Mannes konfrontiert zu sein, so tun zu müssen, als ob das Kind genauso geliebt wird wie die anderen, es genauso behandeln zu müssen wie die eigenen Kinder.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, das ist zu schwer. Ich glaube nach wie vor eher an die erste Möglichkeit: eine Adoption.«
Aber sie hatten keine anderen Kinder, dachte ich. Wäre das etwas anderes gewesen?
»Aber warum sollten sie es mir verschweigen?«, fragte ich und verdrängte den Gedanken. »Das ist doch nichts, dessen man sich schämen müsste.«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht war es keine offizielle Adoption, und sie hatten Angst, dass man dich ihnen wegnehmen könnte. In diesem Fall wäre es besser gewesen, es zu verschweigen, bis du erwachsen bist.«
»Ich war Student, als meine Mutter gestorben ist. Damals war so viel Zeit vergangen, dass sie es mir hätte sagen können.«
»Yeah, aber schau dir an, was sie durchgemacht hat. Ihr Mann nimmt sich das Leben, wird als Mörder gebrandmarkt. Sie verlässt den Staat, nimmt ihren Sohn mit nach Maine, dann bekommt sie Krebs. Könnte ja sein, dass du alles warst, was sie noch hatte, und sie dich nicht auch verlieren wollte, egal, ob du tatsächlich ihr Sohn warst oder nicht.«
Er richtete sich vor dem Feuer auf und setzte sich wieder hin. Walter war fast zwanzig Jahre älter als ich, und in diesem Moment kam mir unsere Beziehung eher so vor wie die zwischen Vater und Sohn und nicht wie zwischen zwei Männern, die gemeinsam im Polizeidienst gewesen waren.
»Denn darauf läuft es hinaus, Charlie: Egal, was du rausfindest, sie waren deine Mutter und dein Vater. Sie waren diejenigen, die dich aufgezogen, beschützt und geliebt haben. Du bist auf eine biologische Bestimmung der Elternschaft aus, und das kann ich verstehen. Es ist wichtig für dich. An deiner Stelle würde
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