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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Schluss …
    John Donne (1572–1631),
    Das Verhauchen

14
    Jeden Freitag kümmerte ich mich im Bear um Nappi, unseren größten Lieferanten. Der Bear wurde dreimal die Woche mit Bier beliefert, aber die Ware von Nappi machte achtzig Prozent unseres Umsatzes aus, daher war dieser Nachschub eine große Sache. Der Nappi-Laster kam immer freitags, und sobald die dreißig Fässer verstaut waren und ich die Lieferung in bar bezahlt hatte, lud ich den Fahrer auf meine Kosten zum Mittagessen ein, worauf wir über Bier, seine Familie und die Wirtschaftskrise redeten.
    Was die Beurteilung der Gäste anging, legte man im Bear etwas andere Maßstäbe an als in den meisten Bars. Die Bar war schon immer bei Repo-Männern beliebt gewesen, die ihren Lebensunterhalt mit Zwangsenteignungen verdienten, und wir sahen, wie immer mehr ihre Pick-ups auf dem Parkplatz abstellten. Es war kein Job, den ich gern gemacht hätte, aber der Großteil von ihnen nahm die Sache ziemlich philosophisch. Sie konnten es sich leisten. Sie waren mit nur zwei Ausnahmen breitschultrige, harte Männer, auch wenn Jake Elms, der taffeste von ihnen, der gerade an der Bar einen Burger aß und sein Telefon abhörte, nur eins fünfundsechzig groß war und knapp fünfundfünfzig Kilo auf die Waage brachte. Er war ruhig, und ich hatte ihn noch nie fluchen gehört, aber die Geschichten, die sich um ihn drehten, waren legendär. Er war immer mit einem räudigen Terrier unterwegs, der vorn in seinem Pick-up saß, und hatte einen Baseballschläger aus Aluminium auf der Ablage unter dem Armaturenbrett. Soweit ich wusste, besaß er keine Knarre, aber mit dem Schläger hatte er schon mehrmals Leuten den Schädel eingeschlagen, und der Hund hatte angeblich die Gabe, sich in die Hoden eines Mannes zu verbeißen und knurrend dranzuhängen, wenn jemand die Frechheit besaß, seinem geliebten Herrchen zu drohen.
    Der Hund durfte selbstverständlich nicht in die Bar.
    »Ich hasse diese Jahreszeit«, sagte Nathan, der Fahrer von Nappi, als er sein Wrap verputzt hatte und sich anschickte, wieder hinaus in die Kälte zu gehen. »Ich sollte mir einen Job unten in Florida besorgen.«
    »Magst du die Hitze?«
    »Nein, mach ich mir auch nicht viel draus. Aber das hier –«, er deutete auf die Welt außerhalb des dunklen Kokons des Bear, als er in seine Jacke schlüpfte, »die können das ja als Frühling bezeichnen, es ist aber keiner. Das ist immer noch tiefster Winter.«
    Er hatte recht. Hier gab es nur drei Jahreszeiten, jedenfalls kam es mir so vor: Winter, Sommer und Herbst. Der Frühling fiel aus. Wir hatten bereits Mitte Februar, aber bislang war noch nicht einmal ansatzweise etwas davon zu sehen, dass das Leben allmählich zurückkehrte. Die Straßen der Stadt waren voller Schnee- und Eiswälle, die breiteren Gehsteige von den Spuren der Maschinen gezeichnet, die sie ein ums andere Mal geräumt hatten. Klar, die schlimmsten Schneefälle waren vorüber, aber stattdessen hatten sich ein eisiger Regen und eine fürchterliche, anhaltende Kälte eingestellt, die mitunter noch durch heftigen Wind verstärkt wurde, bei dem einem, selbst wenn er nachließ, die Ohren, die Nase und die Fingerspitzen zu erfrieren drohten. Geschützte Straßen waren immer noch mit Eisplatten bedeckt, die man teilweise sah, manchmal aber auch nicht. Diejenigen, die von der Commercial Street bergaufwärts zum Old Port führten, konnte man ohne Spikes an den Sohlen kaum bewältigen, und das Kopfsteinpflaster, das von den Touristen so geliebt wurde, trug auch nicht gerade dazu bei, den Aufstieg weniger gefährlich zu machen. Das Fegen der Böden in den Bars und Restaurants wurde durch die Unmengen von Matsch und Eis, Splitt und Steinsalz immer mühseliger. Stellenweise – bei den Parkplätzen an der Middle Street oder unten an den Fischereianlegern – hatten sich Schnee und Eis so hoch aufgetürmt, dass sich die Fußgänger vorkamen wie im Grabenkrieg. Einige Eisbrocken waren so groß wie Felsblöcke, so als wären sie aus den Tiefen eines seltsamen, nahezu gefrorenen Vulkans geschleudert worden.
    Die Hummerkutter an den Fischereianlegern waren in Schnee gehüllt. Ab und zu wagte sich ein besonders Mutiger in die Bucht hin­aus, und bei seiner Rückkehr war das Eis vom Fischblut rot und rosa gesprenkelt, aber meistens flogen nur niedergeschlagene Möwen herum und warteten auf den Sommer und die Rückkehr der leichten Beute. Bei Nacht hörte man das Geräusch von Autoreifen, die auf dem tückischen Eis

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