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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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Halt suchten, ungeduldiges Fußstampfen, während nach Schlüsseln gesucht wurde, oder Gelächter, das wegen der Schmerzen, die die Kälte mit sich brachte, fast wie Weinen klang.
    Und der März wartete immer noch hinter den Kulissen, ein elender Monat mit tropfendem Eis, schmelzendem Schnee und den letzten schmutzigen Überresten des Winters, die sich an schattigen Stellen verbargen. Danach kamen der April und der Mai. Sommer, Wärme und Touristen.
    Aber vorerst herrschte nur Winter, ohne jede Frühlingsverheißung. Hier gab es nur Eis und Schnee, und die alten Fußstapfen hielten sich inmitten der Kristalle wie unerwünschte Erinnerungen, die nicht vergehen wollen. Die Leute drückten sich aneinander und warteten darauf, dass der Belagerungszustand aufhörte. Aber dieser Tag, der Tag, an dem Nathan vom tiefsten Winter sprach, brachte etwas Seltsames und Ungewöhnliches in diesen Teil der Welt.
    Er brachte den Nebel.
    Und er brachte sie .
    Seit Tagen, ja Wochen war es bitterkalt, was selbst für diese Jahreszeit ungewöhnlich war. Tag um Tag war Schnee gefallen, und dann, kurz vor dem Valentinstag, ging er in eisigen Regen über, der die Straßen überflutete und Schneeverwehungen in schartige Eisblöcke verwandelte. Dann hörte es auf zu regnen, aber die Kälte blieb, bis schließlich das Wetter umschlug und die Temperaturen stiegen.
    Und der Nebel stieg von den weißen Feldern auf wie Rauch aus einem kalten Feuer, getragen von Luftströmungen, die man nicht spüren konnte, so dass er fast wie ein Lebewesen wirkte, eine fahle Erscheinung, deren Zweck unbekannt war. Die Umrisse der Bäume waren nicht mehr zu erkennen, die Wälder versanken im alles umfangenden Dunst. Er verzog oder lichtete sich nicht, sondern schien im Lauf des Tages immer dichter und düsterer zu werden, legte sich klamm über die Städte und Ortschaften und fiel wie leichter Regen auf Fenster, Autos und Menschen. Bei Anbruch der Nacht hatte man nur noch ein paar Schritte Sicht, und blinkende Warnschilder auf den Highways wiesen darauf hin, dass man auf die Geschwindigkeit achten und Abstand halten sollte.
    Und noch immer kam mehr Nebel. Er eroberte die Stadt, verwandelte die hellsten Lichter in Geister ihrer selbst und schnitt die Menschen, die durch die Straßen gingen, von ihresgleichen ab, so dass sie sich vorkamen, als wären sie allein auf der Welt. Gleichzeitig brachte er diejenigen, die Familien oder Liebste hatten, ­ein­ander näher, da sie Trost und Kontakt suchten in einer Welt, die plötzlich fremd geworden war.
    Vielleicht kamen sie deswegen zurück, oder glaubte ich immer noch, dass sie nie ganz verschwunden waren? Ich hatte sie freigegeben, diese Geister meiner Frau und meines Kindes. Ich hatte sie um Vergebung für meine Fehler gebeten, alles genommen, was von ihrem Leben geblieben war – Wäsche und Spielzeuge, Kleider und Schuhe –, und in meinem Garten verbrannt. Ich hatte gespürt, wie sie gingen, den Wasserläufen der Marsch zum wartenden Meer folgten, und als ich, in den Geruch nach Rauch und verlorenen ­Sachen gehüllt, wieder das Haus betrat, kam es mir anders vor: ­irgendwie leichter, als wäre ein bisschen Unordnung beseitigt oder ein alter, schaler Geruch vom Wind durch die offenen Fenster vertrieben.
    Natürlich waren sie meine Geister. Ich hatte sie auf meine Art erschaffen. Ich hatte ihnen Gestalt gegeben, meine Wut, meinen Schmerz und meine Trauer zu ihren gemacht, so dass sie für mich feindselige Wesen wurden, die alles verloren hatten, was ich einst an ihnen geliebt hatte, und ich hatte die Leere mit all dem gefüllt, was ich an mir hasste. Und sie nahmen diese Gestalt an und fanden sich damit ab, denn auf diese Weise kehrten sie in diese Welt zurück, in meine Welt. Sie waren nicht bereit, in die Schatten der Erinnerung zu entschwinden, ihren Platz in dieser Welt aufzugeben.
    Und ich verstand nicht, warum.
    Aber es waren nicht sie. Das waren nicht die Frau, die ich geliebt hatte, wenn auch nicht genug, und die Tochter, die ich einst ins Herz geschlossen hatte. Ich hatte nur einen flüchtigen Eindruck von dem gesehen, wie sie wirklich waren, bevor ich zuließ, dass sie verwandelt wurden. Ich hatte gesehen, wie meine Frau den Geist eines Jungen in einen tiefen Wald führte, seine kleine Hand in ihrer, und ich hatte gewusst, dass er keine Angst vor ihr hatte. Sie war die Sommerfrau, die ihn zu denen brachte, die er verloren hatte, ihn auf seiner letzten Reise durch Dickicht und Bäume begleitete. Und damit

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