Der Pakt der Liebenden
als auch nach anderen. Die Erste, die er ausfindig machte, war die Modine, und da hatte es bei Mickey zum ersten Mal geklingelt. Das war für sich schon eine tolle Story, und nicht nur für die Sonntagsbeilage: Ein Vater verliert durch einen Mörder Frau und Kind und bringt dann seinerseits zwei Mörder zur Strecke. Da war alles dran, wonach eine übersättigte Öffentlichkeit verlangte.
Nur dass Parker nichts erzählen wollte. Sämtliche Bitten um ein Interview wurden höflich und manchmal auch unhöflich abgelehnt. Und dann – zack! – war er wieder da, und diesmal versuchte er den ganz großen Fisch zu fangen, den fahrenden Mann. Im Laufe der folgenden Jahre wurde Mickey und anderen wie ihm klar, dass hier etwas Außergewöhnliches vorging. Der Mann hatte eine gewisse Gabe, auch wenn niemand, der bei Sinnen war, diese Gabe haben wollte: Anscheinend zog ihn das Böse an, und das Böse wiederum wurde von ihm angezogen. Und wenn er es fand, vernichtete er es. So einfach war das, oder so schwierig, je nachdem, wie man es betrachten wollte, denn Mickey Wallace war nicht dumm, und ihm war klar, dass niemand das tun konnte, was Parker getan hatte, ohne dabei schweren Schaden zu nehmen. Und jetzt war er hier, in einer Stadt im Nordosten, wo er in einer Bar arbeitete, getrennt von seiner Freundin, sah das Kind, das er mit ihr hatte, vielleicht ein-, zweimal im Monat, und wohnte allein in dem großen Haus, auf das Mickey jetzt vorsichtig seine Taschenlampe richtete.
Mickey wollte hineingehen. Er wollte in Schubladen herumstöbern, Aktenschränke öffnen, sich die Computer vornehmen und feststellen, wo die Zielperson aß, saß und schlief. Er wollte in seinen Fußstapfen gehen, denn Mickey hatte vor, Parker eine Stimme zu verleihen, seine Worte zu verwenden, seine Erfahrung auszuwerten, daran zu feilen und eine neue Variante von ihm zu schaffen, die größer war als die Summe seiner Teile. Dazu musste er sich eine Zeitlang in ihn hineinversetzen, um sein Dasein zu verstehen.
Und wenn Parker sich letztlich dafür entschied, nicht zu kooperieren? Mickey versuchte nicht daran zu denken. Er hatte an diesem Morgen mit seinem Verleger gesprochen, und der hatte ihm klargemacht, dass er es vorzöge, wenn Parker an dem Projekt beteiligt wäre. Es war keine Bedingung, aber es würde sich auf die Auflage und auf den Bekanntheitsgrad des Buches auswirken. Sein Standpunkt war verständlich, aber Mickeys Aufgabe wurde dadurch schwieriger. Irgendetwas zusammenschustern konnte jeder, wenn auch nicht so gut wie Mickey, aber damit machte man keine dicke Kohle. Und es ging auch nicht nur ums Geld – hier war eine wahre Geschichte, etwas mit Tiefgang, etwas Besonderes und Aufwühlendes, und die Worte mussten aus dem Mund der Zielperson kommen. Mickey würde ihn kleinkriegen, dessen war er sich sicher, oder zumindest einigermaßen sicher. Unterdessen hatte er sich mit möglichen Interviewpartnern in Verbindung gesetzt und hoffte dadurch, an mehr Hintergrunderkenntnisse zu gelangen, denn Mickey wollte mehr über Parker erfahren, als Parker selbst wusste.
Allerdings hielten die Leute, die ihm nahestanden, zu ihm, und bislang konnte Mickey trotz aller Mühen nichts weiter vorweisen als eine Reihe von Abfuhren. Klar, er hatte mehrere Gespräche, offizielle wie auch inoffizielle, mit ein paar New Yorker Cops angesetzt, die Parker aus New York kannten, darunter ein ehemaliger Captain der Abteilung für interne Angelegenheiten, der, wie Mickey aus zuverlässiger Quelle erfahren hatte, der Meinung war, dass die Zielperson hinter Gitter gehörte – die Zielperson und ihre Freunde. Die interessierten Mickey ebenfalls. Und er wusste auch, wie sie hießen: Angel und Louis. Der Captain hatte gesagt, er könnte ihm auch dabei helfen, allerdings nur begrenzt. Er war lediglich zu einem inoffiziellen Gespräch bereit, hatte Mickey aber Kopien von Ermittlungsberichten versprochen, dazu Stoff, aus dem ein guter Reporter wie Mickey mühelos eine niet- und nagelfeste Story drechseln konnte. Es war ein Anfang, aber Mickey wollte mehr.
Seine Kleidung fühlte sich klamm an. Der Nebel war jedoch ein Segen, weil er ihn vor jedem zufälligen Beobachter verbarg, der unten auf der Straße vorbeifuhr, und selbst wenn jemand über die Auffahrt kommen sollte, würde er ihn oder sein Auto schwerlich sehen können, bis er beim Haus war. Mickey hatte sein Auto unter einer Baumgruppe geparkt, und solange nicht jemand gezielt danach suchte, war er sich ziemlich
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