Der Pakt der Liebenden
sagen kann, könnte Parker ihn als Informant benutzt und ihm im Gegenzug Schutz geboten haben.«
»Es fing also als eine berufliche Beziehung an.«
»Das könnte man so sagen. Der andere, Louis, der ist schwerer einzuordnen. Keine Festnahmen, keine Vorgeschichte, er ist wie ein Gespenst. Letztes Jahr gab’s irgendeine Sache. Eine Autowerkstatt, an der er angeblich stiller Teilhaber war, wurde überfallen. Ein Typ, einer der Täter, ist im Krankenhaus gelandet und eine Woche später an seinen Verletzungen gestorben. Danach –«
Hector tauchte neben ihm auf und tauschte das leere Glas gegen ein volles ein. Tyrrell hielt inne und nahm einen Schluck.
»Na ja, ab da wird es seltsam. Einer von Louis’ Freunden, Geschäftspartnern oder was auch immer ist ebenfalls gestorben. Sie haben gesagt, er hätte einen Herzanfall erlitten, aber ich habe was anderes gehört. Einer der Leichenbestatter hat gesagt, sie hätten ein Einschussloch an seiner Kehle flicken müssen.«
»Wer hat das getan? Louis?«
»Nee, der tut seinen Freunden nichts zuleide. So ein Killer ist er nicht. Es gab Getuschel, dass es sich um eine Racheaktion gehandelt hat, die schiefgegangen ist.«
»Deswegen war er oben in Massena«, sagte Mickey. Mehr zu sich selbst als zu Tyrrell, der es allem Anschein nach ohnehin nicht mitbekommen hatte.
»Bei denen ist es genauso wie bei ihm: Man kümmert sich um sie.«
»Man kümmert sich?«
»Was Parker getan hat, nämlich ungestraft töten, das kann man nicht, es sei denn, jemand deckt einen.«
»Ich habe gehört, dass es sich bei den aktenkundigen Tötungsdelikten um entschuldbare Fälle handelt.«
»Entschuldbar! Finden Sie es nicht seltsam, dass keiner davon jemals vor Gericht kam, dass er bei jeder Ermittlung entlastet wurde, soweit man sie nicht einfach eingestellt hat?«
»Sie meinen also, es handelt sich um eine Verschwörung.«
»Ich meine, dass man ihn schützt . Ich meine, dass es Leute gibt, die ein persönliches Interesse daran haben, Parker auf freiem Fuß zu lassen.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil sie das, was er macht, gutheißen.«
»Aber er hat seine Lizenz als Privatdetektiv verloren. Er darf nicht einmal eine Schusswaffe besitzen.«
»Im Staat Maine darf er von Rechts wegen keine Schusswaffe tragen. Sie können sich aber verdammt sicher sein, dass er irgendwo Knarren versteckt hat.«
»Ich will damit nur sagen, falls es eine Verschwörung mit dem Ziel gegeben haben sollte, ihn zu schützen, dann hat sich irgendetwas geändert.«
»Nicht genug, um ihn hinter Gitter zu bringen, denn dort gehört er hin.« Tyrrell trommelte mit dem Finger auf den Tisch, um seinen Einwand zu unterstreichen.
Mickey lehnte sich zurück. Er hatte Seite um Seite mit Notizen gefüllt. Seine Hand tat weh. Er betrachtete Tyrrell. Der ältere Mann starrte in sein drittes Glas. Es waren Unmengen Schnaps gewesen, so großzügig eingegossen, wie Mickey es noch in keiner Bar erlebt hatte. Wenn er so viel Alkohol getrunken hätte, wäre er längst eingeschlafen. Tyrrell hingegen hielt sich immer noch aufrecht, aber er hing in den Seilen. Von ihm würde Mickey nichts Verwertbares mehr erfahren.
»Warum hassen Sie ihn so?«
»Hä?« Tyrrell blickte auf. Obwohl er vom Alkohol benebelt war, überraschte ihn die unverblümte Frage.
»Parker. Warum hassen Sie ihn so?«
»Weil er ein Mörder ist.«
»Bloß deswegen?«
Tyrrell blinzelte. »Nein. Weil mit ihm irgendwas nicht stimmt. Nichts stimmt mit dem. Es ist – es ist, als ob er keinen Schatten wirft oder sich nicht spiegelt. Er kommt einem normal vor, aber wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass er’s nicht ist. Er ist was Anomales, was Abscheuliches.«
Herrgott, dachte Mickey.
»Gehen Sie in die Kirche?«, fragte Tyrrell.
»Nein.«
»Sollten Sie aber. Ein Mann sollte in die Kirche gehn. Das hilft ihm dabei, den richtigen Blickwinkel zu behalten.«
»Das werde ich mir merken.«
Tyrrell blickte auf. Seine Miene hatte sich verändert. Mickey war zu weit gegangen.
»Kommen Sie mir bloß nicht schlau, mein Junge . Schaun Sie sich doch an. Sie scharren im Dreck rum und hoffen, mit dem Leben eines andern ein paar Kröten zu verdienen. Sie sind ein Parasit. Sie glauben an gar nichts. Ich bin gläubig. Ich glaube an Gott, und ich glaube an das Gesetz. Ich kann Recht und Unrecht unterscheiden, Gut und Böse. Ich habe mein Leben lang nach diesem Glauben gelebt. Ich hab in dieser Stadt in einem Revier nach dem andern aufgeräumt und
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