Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
gehört dir, Tancred, wenn du dich mir anschließen möchtest«, sagte der Lord. Er streckte mir die Hand hin. »Ich heiße Robert de Commines.«
Sechs
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A n jenem Sommerabend am Fluss hatte ich diesen Namen zum ersten Mal gehört. Und es war dort, am nächsten Tag im Jahr eintausendsiebenundfünfzig, dass ich zum ersten Mal die Bretagne hinter mir ließ. Denn Lord Robert hatte vor Kurzem, wie ich später erfahren sollte, dem jungen Guillaume, Herzog der Normandie, Gefolgschaftstreue geschworen, mit dem unser Schicksal jetzt verknüpft war.
Natürlich hatte ich damals keine Ahnung, dass ich zwölf Jahre später immer noch demselben Herrn dienen oder dass unser Weg uns hierher nach England führen würde. Zu der Zeit konnte ich nur daran denken, dass mir die Gelegenheit geboten wurde, dem Leben zu entfliehen, das ich kannte: die Gelegenheit, einen neuen Menschen aus mir zu machen. Ich wusste fast nichts von diesen Männern oder davon, was sie machten, aber ich sah, dass es ihnen, wenn sie schon nicht reich waren, ganz gut ging. Und abgesehen von allem anderen hatte ich keine andere Wahl.
Aber es gab auch noch einen anderen Grund, weil jener Kampf mit Eudo etwas Unerwartetes in mir ausgelöst hatte: eine Erregung, die ich nicht verstand, aber nach der ich mich plötzlich sehnte. Ich sah, dass diese Männer ihren Lebensunterhalt mit dem Schwert verdienten, und je länger ich mit ihnen in Lord Roberts Gesellschaft unterwegs war, desto mehr begriff ich, dass ich einer von ihnen sein wollte. Das war ein törichter Gedanke für jemanden, der zuvor kaum je ein Schwert gesehen, geschweige denn in der Hand gehalten hatte, aber wie alle jungen Männer ließ ich mich leicht führen. Mein Kopf hatte sich allmählich mit Visionen von Ruhm und Beute gefüllt: Das war das Leben, das ich vor mir sah.
Ich schaute auf mein Messer, das auf meinem Schild neben mir lag: dasselbe, das ich vor all diesen Jahren von Lord Robert neben dem Cosnonis überreicht bekommen hatte. Ein paar Monate zuvor hatte ich eine neue Scheide dafür anfertigen lassen müssen, denn die Klinge war mit der Zeit dünner geworden, sodass die Scheide nicht mehr wie angegossen passte, weil ich das Messer in den vergangenen Jahren so oft geschärft hatte. Doch der Stahl war immer noch derselbe.
Ein dünner Nieselregen sank zu Boden, eher ein Nebel als ein Regen, wie er von Norden herangetragen wurde. Neben mir rührte sich Eudo, murmelte Worte, die ich nicht verstehen konnte. Nach jener ersten Begegnung waren wir beide eine Zeit lang bittere Rivalen gewesen. Was niemanden überraschte, denn es war eine Sache, im Kampf geschlagen zu werden, aber eine ganz andere, wenn der Gegner ein Junge ohne jede Ausbildung war. Doch mit der Zeit verschwand die Bitterkeit, und wir wurden allmählich gute Freunde.
Als die Blätter jenes Jahres sich von Grün zu Gold verwandelt hatten, kehrten wir in die Heimat unseres Herrn, nach Commines in Flandern, zurück. Dort lernte ich Wace kennen, der einer der am längsten dienenden Jungen in Roberts Gefolge war. Damals war er genau wie heute eigensinnig und unbeherrscht, ungeduldig mit denen, die er für weniger tüchtig als sich selber hielt, und voller Selbstvertrauen, obwohl nur knapp ein Jahr älter als ich. Zunächst war er wie Eudo misstrauisch mir gegenüber, aber als ich an Kraft und Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen zunahm, wuchs auch sein Respekt vor mir. Von dieser Zeit an bildeten wir drei eine enge Gemeinschaft und schworen, gegenseitig mit unserem Schwert und unserem Leben für die anderen einzutreten. Wir verbrachten unsere Tage damit, die Kunst des Reitens zu erlernen, mit Schwert und Speer und Schild zu üben: wie man ritt und wie man kämpfte. Wir waren Ritter in der Ausbildung, und es gab nichts, was uns etwas zuleide tun konnte.
Jener erste Herbst in Lord Roberts Gesellschaft war der, der mir am deutlichsten ins Bewusstsein kam. Der berauschende Geruch von Kiefernholz, das in der Feuerstelle im Burgsaal brannte; der Geschmack des Weins auf meiner Zunge; der Anblick der Obstgärten in ihren vollen goldbraunen Farben unter der sinkenden Sonne. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich mich wieder dorthin versetzen. Aber als ich versuchte, mich an all die anderen Jungen zu erinnern, die dort gewesen waren, kam mir keines ihrer Gesichter in den Sinn, obwohl sie alle irgendwann meine Kameraden gewesen sein mussten. Selbst an ihre Namen konnte ich mich nur undeutlich erinnern, wie an Bruchstücke eines Traums. Und
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