Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
verschränkt; andere waren schlank, hatten lange Glieder und schauten mich so durchdringend an, dass ich ihren Blicken auswich.
»Hast du Familie, einen Vater oder eine Mutter?«, hörte ich den Lord sagen.
Ich drehte mich wieder zu ihm um und schüttelte den Kopf. Meine Mutter war bei der Geburt des Mädchens gestorben, das meine Schwester geworden wäre. Nicht viel später war mein Vater ihr nach einer Fehde mit einem anderen Mann in die andere Welt gefolgt. Er war niemand von hohem Ansehen gewesen, nur ein kleiner Grundherr mit etwas Landbesitz in der Nähe von Dinant. Genauso wenig wie mein Onkel, sein älterer Bruder, der mich nach seinem Tod zu sich nahm. Er musste für seine eigenen Söhne sorgen, und ich war nur ein weiteres Maul, das es zu stopfen galt. Und sobald mich die Mönche nehmen wollten, gab er mich weg in das Kloster, in dem ich bis vor ein paar Tagen gelebt hatte.
Der Lord runzelte die Stirn, stellte aber keine weiteren Fragen und betrachtete mich ohne Gemütsregung. »Du kämpfst gut«, sagte er und zeigte auf den Jungen. »Eudo ist jetzt seit mehr als einem Jahr bei mir in der Ausbildung, und du hast ihn trotzdem überwunden.«
Ich warf dem, den er Eudo genannt hatte, einen Blick zu: Er stand vornübergebeugt da und betastete seine Nase, ausgiebig fluchend. Er fuhr sich mit einem schmierigen Ärmel durchs Gesicht, der anschließend rot gefärbt war, und schaute mich nicht an.
»Wie alt bist du?«, fragte der Lord.
»Dies ist mein vierzehnter Sommer«, antwortete ich und versuchte mir einen Reim darauf zu machen, warum er so interessiert daran war, ob ich eine Familie hatte oder wie gut ich kämpfen konnte oder wie viele Jahre ich zählte.
»Das waren genug Fragen«, sagte einer der anderen Männer. Er war vielleicht der kleinste von ihnen und hatte ein langes Kinn und Augen, die zu eng beieinanderzustehen schienen. »Er war in meinem Zelt. Er ist ein Dieb, und er sollte bestraft werden.«
»Hast du etwas gestohlen, Tancred?«, fragte der Lord.
»Ich war hungrig«, sagte ich und senkte den Kopf. »Ich habe nur nach Essen gesucht und nach was zum Trinken.« Dann fielen mir die Münzen wieder ein, die ich genommen hatte, und ich holte sie langsam aus meiner Tasche und hielt sie ihm auf der offenen Hand hin. »Und die hier«, fügte ich hinzu.
Einer der anderen lachte. »Er hat Mumm, das muss man ihm lassen.«
»Du Hurensohn«, sagte der Kleine. Sein Gesicht war knallrot geworden. Er trat aus dem Ring vor, den sie um mich herum gebildet hatten, packte mich am Handgelenk und schnappte sich das Silber aus meiner Hand.
»Mäßige dich, Folcard«, warnte ihn der Lord.
»Ich sollte dir auf der Stelle die Kehle aufschlitzen, du kleiner Mistkerl«, sagte Folcard. Ich machte schnell einen Schritt zurück, als er mit der freien Hand nach seiner Schwertkoppel griff; seine andere umklammerte noch mein Handgelenk.
»Niemand wird hier irgendwelche Kehlen aufschlitzen«, rief der Lord ihm zu. »Am wenigsten die des Jungen.«
Folcard knurrte mich an, wobei er zwei ungleiche Reihen gelblicher Zähne entblößte, und ließ mich los, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Was sollen wir dann mit ihm machen?«
Der Lord strich über seinen Bart, als ob er nachdächte, und kam dann langsam auf mich zu, während sein Kettenhemd mit jedem Schritt klirrte. »Hast du schon mal ein Messer benutzt?«, fragte er mich. »Zum Kämpfen, meine ich, nicht zum Essen«, fügte er ernst hinzu, als er sah, was ich antworten wollte.
»Nein, Mylord«, sagte ich.
Er schnallte eine Scheide von seinem Gürtel los. Sie hatte ungefähr die gleiche Länge wie mein Unterarm, vielleicht etwas länger. Er hielt sie mir hin. »Nimm das hier«, sagte er.
Von dem Rest der Männer war ein Murmeln zu hören, vielleicht weil sie unzufrieden oder einfach nur überrascht waren. Ich beachtete sie allerdings nicht im Geringsten, als ich die Scheide in beide Hände nahm und ihr Gewicht fühlte und sie umdrehte. Sie war mit winzigen Kupferreifen umwunden, die in der Sonne funkelten.
Ich schaute den Lord fragend an. Wollte er sie mir schenken, oder gehörte das hier zu einer Art Prüfung?
Er nickte und zeigte auf das Heft. Vorsichtig schloss ich meine Finger darum und zog daran. Es glitt reibungslos heraus. Selbst in meinen Augen, die nichts über Waffen wussten, schien es wunderschön zu sein. Seine Schneide war so dünn, dass ich sie kaum erkennen konnte, der Stahl so gut poliert, dass ich mein Gesicht darin widergespiegelt sah.
»Es
Weitere Kostenlose Bücher