Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
gemeint hatte.
»Nein«, sagte ich. »Das tue ich nicht.«
Ich wusste nicht, was ich noch hinzufügen könnte, und sie sagte auch nichts, aber ich blieb hocken, bis mir die Beine begannen wehzutun und ich einen stechenden Schmerz in meiner Wunde spürte, und setzte mich dann auf die nassen Blätter. Die Feuchtigkeit drang durch den dünnen Stoff meiner Beinlinge, die kalt auf meiner Haut lagen, aber das war mir gleichgültig.
»Ich kannte meinen Vater kaum«, sagte ich leise nach einer Weile. »Und meine Mutter auch nicht. Beide starben, als ich jung war.«
Das war fast zwanzig Jahre her, wurde mir klar. Was würden sie von mir denken, wenn sie mich hier sitzen sehen könnten? Würden sie den Mann wiedererkennen, zu dem ich geworden war?
»Der Mann, der einem Vater für mich am nächsten kam, war Robert de Commines«, fuhr ich fort. »Und jetzt ist auch er nicht mehr da, ermordet zusammen mit all meinen verschworenen Brüdern und Oswynn …«
Ich brach ab, weil mir plötzlich bewusst wurde, dass Beatrice’ Blick auf mir ruhte. Ich hatte seit Jahren nicht über meine Familie gesprochen. Warum tat ich es jetzt? Warum erzählte ich gerade ihr von Robert, von Oswynn?
»Oswynn«, sagte Beatrice. Ihre Tränen hatten aufgehört zu fließen, und in dem weichen Licht war ihre Haut milchblass. »Sie war Eure Frau.«
»Das war sie.«, sagte ich leise.
»Habt Ihr sie geliebt?«
Nicht so sehr, wie ich es hätte tun sollen, dachte ich, obwohl zur gleichen Zeit vermutlich mehr, als ich mir gegenüber je zugegeben hatte. Hätte ich sie geheiratet, wenn sie am Leben geblieben wäre? Wahrscheinlich nicht; sie war Engländerin und außerdem von niederer Herkunft, die Tochter eines Schmieds. Und trotzdem war sie anders gewesen als all die anderen jungen Frauen, die ich gekannt hatte: willensstark und von feurigem Temperament, völlig furchtlos und in der Lage, selbst den kampferprobtesten von Lord Roberts Rittern Paroli zu bieten. Jemand wie sie würde es nicht mehr geben.
»Das habe ich«, erwiderte ich knapp und überließ Beatrice, daraus zu machen, was sie wollte.
»Wie ist sie gestorben?«
»Das weiß ich nicht. Einer meiner Männer hat mir davon berichtet. Ich habe nicht gesehen, was geschehen ist.«
»Vielleicht war es besser so?«
»Besser?«, wiederholte ich. »Es wäre besser gewesen, wenn ich sie gar nicht erst verlassen hätte. Wenn ich bei ihr gewesen wäre, hätte ich sie beschützen können.« Und sie wäre jetzt noch am Leben, dachte ich.
»Oder Ihr wärt zusammen mit ihr gestorben«, sagte Beatrice.
»Nein«, sagte ich, obwohl sie natürlich recht hatte. Wenn der Feind sie so plötzlich angegriffen hatte, wie Mauger sagte, hätte ich wahrscheinlich wenig ausrichten können. Doch was ging es Beatrice an, was mit Oswynn geschehen war?
Ich war auf einmal ganz durcheinander und stand auf. »Wir sollten zurückgehen. Die anderen werden sich fragen, wo wir sind.«
Ich hielt ihr die Hand hin, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein, und sie ergriff sie. Ihre Finger waren lang und zierlich, ihre Handfläche kalt, aber weich. Sie erhob sich, strich ihren Rock glatt und entfernte Blätter und Zweige. Da, wo sie gekniet hatte, waren Matschflecken, aber daran war nichts zu ändern. Sie zog sich die Kapuze wieder über das Haar, während ich das Holz für das Feuer aufhob, und dann gingen wir zusammen in die Richtung des Lagers. Eudo hatte aufgehört zu spielen, zumindest einstweilen, und die Ritter lachten untereinander, während sie Schlucke aus einem Weinschlauch nahmen, der zwischen ihnen die Runde machte.
Als wir am Rand der Lichtung ankamen, wünschte ich ihr eine gute Nacht und schaute zu, wie sie zurück zu ihrem Zelt ging. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte ich mich frei, als ob allein dadurch, dass ich über Robert und Oswynn gesprochen hatte, ein Gewicht von meinem Herzen genommen worden sei.
Ich wollte mich gerade zu den anderen ans Feuer setzen, als ich Ælfwold in den Schatten neben seinem Zelt stehen sah. Wie lange hatte er dort schon gestanden? Ich ignorierte ihn und machte mich auf den Weg zum Feuer, aber ich war kaum fünf Schritte gegangen, als er meinen Namen rief. Einen Augenblick lang erwog ich, so zu tun, als hätte ich ihn nicht gehört oder gesehen, aber dann rief er ein zweites Mal, und als ich mich umdrehte, marschierte er auf mich zu.
»Was habt Ihr getan?«, wollte er wissen.
Ich starrte ihn überrascht an. Ich kannte den Kaplan erst seit ein paar Wochen, aber ich hatte ihn noch
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