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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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wusste ich, dass dieser kleine Ägypter zehnmal gefährlicher sein konnte als sie alle zusammen. Seine Waffe war die Klugheit, und er hatte die Fähigkeiten eines Zauberers. Das hatte ich rasch erkannt, als wir gemeinsam an Bord der Havørn von Ägypten hierher nach Rouen gesegelt und miteinander vertraut geworden waren.
    Asim blickte auf. Er saß gebeugt an einem der Schreibtische, in der Hand eine Feder. Zu seiner Linken lag eine Schriftrolle aus einem Stoff, denn sie Papyrus nannten, und vor ihm ausgebreitet ein glänzend weißes Pergament, das er mit Schriftzeichen füllte. Du waren in Kirche?, fragte er in gebrochenem Norwegisch. Der Duft des Weihrauchs hing noch in meinen Kleidern. In der kurzen Zeit, in der er unser Gefangener war, hatte er unsere Sprache gelernt. Er hatte auf dem Schiff viel Zeit mit dem Steuermann verbracht und sich einiges Wissen über Navigation und Segeltechnik angeeignet. Er kannte den Sternenhimmel bis ins letzte Detail und zeigte uns den leiđarstjarna , den Polarstern, der in seiner Sprache vollkommen anders hieß. Kirche ist schöner Tempel, sagte Asim. Was schreibst du?, wollte ich mit einem Blick auf das Pergament wissen. Asim winkte mich zu sich. Zögernd setzte ich mich neben ihm auf die Bank. Asim sagte: Mit Erlaubnis von dein König, ich kopieren Texte, die der Heilige in seinem Grab hatte.
    Verstehst du wirklich diese alten, seltsamen Schriftzeichen?, fragte ich.
    Asim lachte. Ich sprechen viele Sprachen, stammelte er. Als ich fünf Jahre alt, ich sprechen nicht nur Sprache meiner Mutter, sondern auch Hebräisch und Aramäisch. Später ich lernen Griechisch und Latein und viele andere Sprachen auch. Und jetzt ich lernen deine Sprache! Junger Mann, sagte Asim und legte mir seine Hand auf die Schulter, ohne Sprache du sein ein Nichts. Mit Sprache dir gehören die Welt.

     
    Der Sarg mit der Mumie war in einer Kapelle außerhalb von Rouen aufgebahrt. Zehn von Olavs Männern bewachten die Kapelle Tag und Nacht. Viele der Wikinger waren bereits vollbepackt mit Schätzen mit ihren Schiffen nach Hause gefahren, während sich die anderen gemeinsam mit ihrem König in und um Rouen niedergelassen hatten. Jeden Morgen machte sich Asim auf den weiten Weg vom Palast des Herzogs zu der Kapelle, um sich zu vergewissern, dass alles so war, wie es sein sollte. Die Schätze und Grabbeigaben befanden sich noch immer in den verschlossenen Laderäumen der Schiffe, die im Hafen am Fluss lagen, und wurden dort bewacht. Nicht einmal die gierigsten und dreistesten Räuber der Normandie würden es wagen, uns etwas zu stehlen – selbst wenn sie gewusst hätten, welche Schätze sich an Bord verbargen. Der König verhielt sich sehr geheimnisvoll. Das Heiligtum besaß eine göttliche Macht und eine so große Kraft, dass niemand von unserem Raubzug oder unserer Beute erfahren durfte. So untersagte Olav strengstens, Lieder oder Verse zu schreiben. Ich erinnerte ihn daran, dass die Männer in den Schankstuben und bei den Frauen oft ins Prahlen kamen und sicher alles ausplaudern würden, aber das machte Olav keine Sorgen. Männer prahlen immer, sagte der König. Man wird ihnen nicht glauben, wer glaubt denn schon einem Seefahrer? Aber Verse und Lieder haben eine größere Kraft. Sie leben länger. Niemand darf erfahren, wo wir gewesen sind und was wir geraubt haben, sagte König Olav. Und so geschah es.

     
    Die Wochen vergingen. Der König verbrachte viel Zeit in Gesellschaft von Herzog Richard. Der Herzog war getauft worden und betete den Gott der Christen an, und auch Olav begann, sich dem neuen Gott zuzuwenden. Für uns, die wir ihm nahestanden, war das eine traurige Zeit. Der stolze Wikinger in ihm kapselte sich immer mehr ein. Der Olav, den wir von den Schlachtfeldern kannten, kämpfte vergeblich um seine Freiheit. Der König führte lange Gespräche mit dem Herzog, dem Erzbischof und mit den Mönchen in den Klöstern und Klosterschulen. Sie sprachen über den allmächtigen Gott, über seinen Sohn Jesus Christus, über die christlichen Gesetze und das heilige Buch, das sie Bibel nannten. In dieser Zeit entdeckte ich mein Interesse für das Skaldentum. Während Olav sich vom Herzog bekehren ließ, wurde ich von Asim und seiner Kunst zu erzählen inspiriert. Olav war besessen von seinem neuen Glauben, der sich wie ein Schatten über seine Treue zu den Waffenbrüdern und Vertrauten des Königs legte. Schließlich ließ sich König Olav im Namen des Christengottes taufen. Richards Weihbischof, Bruder

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