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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Hosenbeinen und heben mich hoch. Der Schmerz ist nicht auszuhalten.

4
     
    Als ich wieder zu mir komme, liege ich oben in der Wohnung auf Luigis Ledersofa. Ein gieriger Schakal benagt mein Bein.
    Luigi ist weg. Vielleicht haben sie die Leiche ins Schlafzimmer gebracht.
    Rücksichtsvollerweise haben sie mein Bein mit einem Stapel Kissen abgestützt. Dann steckt wenigstens ein Hauch von Anstand in diesen ansonsten so skrupellosen Gestalten.
    Das Telefon klingelt. Sie lassen es klingeln. Lange.
    Am Ende gibt einer von ihnen auf. »Na’am!«, brüllt er in den Hörer. Dann hört er zu. »Wir haben eine Geisel«, ruft er auf Englisch. »Und verlangen freies Geleit zum Leonardo-da-Vinci-Flughafen!« Er hört wieder zu. Sein Gesicht verfinstert sich. Dann ruft er auf Arabisch ein Heer grausamster Feuergeister an und wirft den Hörer auf die Gabel.
    Ich verschwinde im lindernden Nebel der Bewusstlosigkeit.

5
     
    Ich schlage die Augen auf. Mein Mund ist staubtrocken.
    Wie viel Zeit ist vergangen? Minuten? Stunden? Von der Bruchstelle schießt ein stechender Schmerz durch mein Bein.
    »Wasser«, stottere ich. » Water. Please. «
    Die Araber sehen mich gleichgültig an. Keiner von ihnen macht Anstalten, Wasser zu holen.
    Ich huste. Die Zunge bleibt am Gaumen kleben.
    » Please! I’m thirsty! «
    »Quiet!«
    »Water, please!«
    »Shut up!«

6
     
    Ich stöhne.
    Bin an Bord eines Schiffes, das schwer in die Wellentäler fällt. Auf und ab, auf und ab... Das Meer ist eine einzige rollende Welle, die nie ankommt. Ich liege unter einer klammen, nassen Decke aus muffiger Baumwolle und habe den Geschmack von ranzigem Fett im Mund. Auf und ab, auf und ab... Schmerz und Übelkeit verschmelzen miteinander. Jede noch so kleine Bewegung an der Bruchstelle treibt mir die Magensäure in den Mund. Die Knochenenden reiben knirschend aneinander. Das Schiff schaukelt. Jemand bearbeitet mein Bein mit einer Säge und einem Bohrer; es kneift und schneidet und brennt wie Feuer. Der intensive, scharfe Schmerz wird von einem runderen und tieferen Leiden abgelöst. Mein Bein pocht und droht zu zerspringen. Die Nervenenden stehen von den Füßen bis zur Hüfte in Flammen. Mein Magen zieht sich zusammen. Auf und ab, auf und ab …
     
    Der eine Araber spricht in ein Handy. Ich stelle mir vor, er spricht mit Hassan. Ich bin froh, dass er nicht hier ist. Er hätte mein Bein nicht auf weiche Kissen gebettet. Im Gegenteil, er hätte seine Pranken um den Bruch gelegt und noch nachgeholfen.
    Ich übergebe mich.
    Der Araber beendet das Gespräch und sagt etwas zu dem anderen. Sie sehen mich an. Gleich darauf klingelt wieder das Handy. Dieses Mal antwortet der andere. Er ist aufgeregt. Kurze, zornige Ausbrüche wechseln mit Fragen und Vorwürfen. Glaube ich. Ich verstehe kein Wort.
    Dann klingelt wieder der Festnetzanschluss. Die Polizei, denke ich. Dieses Mal gehen sie nicht ran.

7
     
    Mein Bein ist geschwollen. Die Schwellung drückt gegen den Hosenstoff. Jede Zelle, jede Muskelfaser, jeder Knochen pulsiert. Ich habe Durst. Ich schwitze und habe Schüttelfrost.
     
    Dunkel.
    Licht.
    Dunkel.
     
    Ich gleite in einen halbwegs bewusstlosen Dämmerzustand, in dem nur eine Empfindung von Bedeutung ist: der Schmerz.
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, habe jedes Gefühl dafür verloren: Sekunden, Minuten, Stunden verheddern sich in einem sinnleeren Wirbel.
    Während ich so vor mich hin dämmere, wird der Sauerstoff aus dem Raum abgesaugt. Ich bin ein Astronaut, der mit leeren Sauerstofftanks durch den Weltraum schwebt. Ich greife panisch nach dem Schlauch, der sich immer wieder meinem Griff entwindet, und entferne mich weiter und weiter von dem Raumfahrzeug.
     
    Danach: nichts.

8
     
    Ich komme wieder zu mir, weil mich etwas Schweres auf das Sofa drückt. Ich reiße die Augen auf und schnappe rasselnd nach Luft. Mein Mund und die Nasenlöcher sind voller feinkörnigem Sand und Mörtel. Meine Lungen werden von kräftigen Stahlriemen zusammengepresst. Zunge und Gaumen kleben aneinander.
    Ich erbreche mich. Es kommt nichts. Nichts als trockene Würgelaute wie von einem sterbenden Soldaten.
    »Wasser« , lalle ich, » Wasser Wasser Wasser .«
    Aber entweder verstehen sie mich nicht, oder es ist ihnen egal.
     
    Mein Mund steht weit offen. So fällt das Atmen leichter.
    Dunkel. Licht. Dunkel...

9
     
    Geräusche dringen durch das Dunkel.
    Stimmen.
    Ich blinzele.
    Der Araber spricht in das Handy. Er schreit.
    Wütend.
    Eingesperrt.

10
     
    Sie

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