Der Pakt der Wächter: Roman
Netzwerk aus Lügen und Betrug. Ein Blendwerk.«
»Warum verraten Sie mir dieses Geheimnis.«
»Weil ich will, dass Sie begreifen, wie wichtig mir diese Thingvellirrollen sind. Ich möchte, dass Sie verstehen, warum Sie mir sagen müssen, wo sie sich befinden.«
»Und falls nicht …?«
Er tritt zu einer Seitentür, öffnet sie und bitte eine dort wartende Person einzutreten.
Hassan
1
Wuchtig und bedrohlich betritt Hassan den Raum. Hassan der Knochenbrecher.
»Wenn Sie sich weigern, mit uns zusammenzuarbeiten«, sagt Esteban, »sehe ich mich leider gezwungen, Hassan zu bitten, Sie zu überzeugen. Aber hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Ich erzähle Ihnen die Wahrheit, um Ihnen hoffentlich deutlich zu machen, wie wichtig die Angelegenheit für mich ist und dass ich seriös arbeite und mich von nichts und niemandem aufhalten lassen werde!«
Ich bringe keine Antwort über die Lippen. Mit einem Taschenmesser durchtrennt Esteban die Kabelbinder, die mich an den Stuhl fesseln.
»Und wenn ich antworte? Lassen Sie dann den Konservator und mich gehen?«
»Aber natürlich.«
Dabei wissen wir beide ganz genau, dass er alles tun wird, um zu verhindern, dass das Geheimnis an die Öffentlichkeit gelangt.
Er zieht die Luft durch seine kaum geöffneten Lippen. Dann holt er ein Schriftstück aus der Schublade einer Schatulle. Ich erkenne es sogleich.
»Ich bin neugierig, Bjørn. Zeigen Sie mir, wie Sie mithilfe dieses Pergaments …«, er legt den Snorri-Codex neben mich auf den Tisch, »…die heilige Höhle bei Thingvellir gefunden haben!«
Der Anblick von Sira Magnus’ verlorenem Pergament berührt mich. Ich sehe meinen Freund vor mir am Tisch des Pfarrhofs sitzen und höre seine Stimme.
»Sie glauben, wir hätten Sira Magnus die Handschrift gestohlen. Und dass wir ihn getötet haben. Aber ich will Ihnen etwas sagen: Er ist an uns herangetreten, um uns dieses Dokument zu verkaufen. Ich kann nichts dafür, dass er diesen Entschluss später bereut hat. Wir wollten ihn nicht töten. Aber sein Herz hat dem Druck nicht standgehalten. So einfach ist das.«
Esteban blickt zu Hassan. Der gewaltige Iraker starrt wortlos vor sich hin, als existierten für ihn weder Esteban noch ich, ja als befände er sich tief im Inneren eines autistischen Universums.
So einfach ist das …
Mit Händen, die so stark zittern, dass es mir kaum gelingt, die einzelnen Seiten anzufassen, blättere ich in dem Pergament und zeige ihm, wie uns der Vers auf der letzten Seite zum Originalmanuskript der Saga vom heiligen Kreuz geführt hat, in dem wiederum die Hinweise auf die Grotte versteckt waren. Esteban gluckst leise. Dann blickt er zu Hassan, der nur kurz blinzelt.
»Es ist spät. Hassan ist gerade erst gekommen. Ich denke, Sie zwei sollten sich morgen früh einmal ernsthaft unterhalten.«
Mir schaudert bei der Vorstellung an ein ernsthaftes Gespräch mit Hassan.
»Er ist nicht sonderlich raffiniert. Aber effektiv. Denken Sie darüber nach, bevor er loslegt. Ich würde Ihnen raten, von Anfang an zu kooperieren. Ehe er Ihnen noch weitere Finger brechen kann. Oder das Bein, das gerade so gut verheilt zu sein scheint. Sie sollten ihn nicht provozieren. Knochenbrüche zählen zu Hassans eher moderaten Techniken. Im Irak hat er einem Mann, der nicht reden wollte, beide Augen ausgestochen. Mit den bloßen Fingern. Ich erwähne das nur, damit Sie nicht zu lange zögern, mir die Antwort zu geben, die ich hören will. Bjørn, es dürfte in Ihrem eigenen Interesse liegen, mit uns zusammenzuarbeiten.«
2
Kierkegaard hat einmal gesagt, die Angst ist das Morgen. Ich verstehe, was er meint.
Ich kann nicht schlafen. Starre, den Rücken an die Steinwand gepresst, in das Dunkel der Zelle. Obgleich ich weiß, dass sich ein paar Meter vor mir eine Wand befindet, hätte ich auch in die Unendlichkeit des Weltraums blicken können. Nichts dämpft die Angst vor dem, das mich bei Tagesanbruch erwartet. Ich hänge in den Fangarmen der Furcht und komme nicht los. All meine Gedanken drehen sich nur um Hassan.
Natürlich werde ich preisgeben, was ich weiß. Ich bin ja nicht dumm. Ich will für die Thingvellirrollen weder meine Finger opfern noch mein Augenlicht oder gar mein Leben. Trotzdem habe ich zwei Probleme. Sie werden mich so oder so töten. Und ich habe keine Ahnung, wo sich die Pergamente befinden. Ich nehme an, dass sich das Sichere Haus des SIS irgendwo in der Nähe von London befindet. Aber theoretisch könnte es auch in dem
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