Der Pakt der Wächter: Roman
es uns leichter, die darunterliegenden Steine zu lockern, und bald haben wir ein etwa ein Quadratmeter großes Loch in die äußere Schicht geschlagen. Danach gehen wir auf die innere Wand los. Nach mehr als einer Stunde, zwei Bohrern und drei Batterien gibt der letzte Stein nach. Mithilfe von Spitzhacke und Spaten gelingt es uns, die Steine innen zur Seite zu schieben, wo sie in eine Kammer hinter dem Brunnenschacht fallen. Wir haben es geschafft.
Stickige, faulige Luft strömt uns durch das Loch entgegen und durch den Brunnenschacht aus der jahrhundertewährenden Gefangenschaft nach oben ins Freie. »Das heißt, dass es hier unten auf jeden Fall eine Form von Belüftung gibt«, sagt Øyvind.
Ich leuchte in die Kammer. Ein leerer Raum mit steinernen Wänden.
»Siehst du etwas?«, fragt Øyvind.
»Nichts.«
»Na dann, los!« Im Drängeln sind die Bergenser wirklich nicht zu schlagen.
Ich krieche als Erster in die Kammer. ⌀yvind folgt dicht hinter mir.
Was wir für einen Raum gehalten hatten, erweist sich als ein Tunnel mit Bogendecke, dessen Wände ähnlich wie der Brunnen mit Steinen verkleidet sind. Der Tunnel hat einen Durchmesser von etwa zwei Metern, so dass wir aufrecht gehen können. Schritt für Schritt waten wir durch Wasser und Schlamm vorwärts. Die Luft ist feucht. Das Licht der Stirnlampen zuckt durch den Tunnel. Die Wände sind mit Algen und Wurzeln überzogen. Die eine oder andere Spinne rollt sich ein, als der Lichtschein über sie huscht.
Der Tunnel mündet in eine innere Kammer, in der sich der Raum weitet und die Deckenhöhe zunimmt. Links von einem Felsornament führt eine Granittreppe nach oben, während der Tunnel geradeaus weitergeht.
»Vermutlich ist das der Aufgang zu einem Brunnenschacht oder einem versteckten Ausgang«, sagt Øyvind.
Wir entschließen uns, dem Tunnel bis zum Ende zu folgen, bevor wir uns der Treppe zuwenden.
Der Tunnel endet vor einer soliden Steinmauer.
»Wir dürften jetzt direkt unter dem Lysekloster sein«, meint Øyvind. »Vielleicht war diese Passage ein Fluchtweg?«
Da wir unser gesamtes Werkzeug im Brunnen zurückgelassen haben, kehren wir in die Kammer mit der Treppe zurück, ohne uns an der Mauer versucht zu haben.
Die Kammer befindet sich etwa in der Mitte des Tunnels und dürfte somit im Kreuzungspunkt des inneren Pentagramms liegen, während der Brunnen den Kreuzungspunkt des äußeren darstellt.
Wir steigen die Treppe hinauf und landen wieder vor einer Wand.
Die Treppe hat uns auf ein schmales Plateau geführt, eine Art Vorraum, der vor einer soliden Wand aus großen, in perfekter Präzision zusammengemauerten Felsquadern endet. Fünf nebeneinander und zehn übereinander.
Im Licht der Stirnlampen erkennen wir über zwei Reihen mit altnordischen Runen eine Reihe ägyptischer Hieroglyphen. Über allem stehen Anch, Ty und Kreuz.
Wir laufen zurück in den Brunnenschacht, holen die Spitzhacken und kehren zur Vorkammer zurück.
Um die Ornamente nicht zu zerstören, beginnen wir unten rechts in der Ecke. Zuerst benutzen wir den Meißel. Der Stein ist porös. Als der Meißel endlich in den Hohlraum hinter der Mauer vordringt, schlagen wir den ersten Stein der Mauer heraus. Nachdem wir jeweils zwei Steine in Höhe und Breite gelöst haben, ist das Loch so groß, dass wir in den dahinterliegenden Raum kriechen können.
9
Sprachlos und andächtig bleibe ich stehen und staune.
Die Grabkammer ist fünfeckig, die Gewölbedecke wird von fünf steinernen Säulen getragen. In der Mitte des Raumes steht ein Sockel von etwa anderthalb Metern Höhe, auf dem ein steinerner Sarg ruht.
Die Grabkammer! Ich kann es kaum fassen. Wir haben die Grabkammer gefunden!
»Das ist ja fantastisch«, flüstere ich noch ganz außer Atem.
Wir bleiben an der Wand stehen, die das Eingangsportal verschließt, und lassen die Lichtstrahlen unserer Stirnlampen durch das Dunkel der Grabkammer huschen.
Die Kammer selbst ist wie ein Fünfeck geformt, wie die gekreuzten Linien im Inneren eines Pentagramms. Und die Säulen befinden sich exakt an den Punkten, an denen sich die Verbindungslinien der fünf Ecken kreuzen.
Die Luft in der Kammer ist eisig kalt. Der moderige Geruch aus dem Tunnel strömt herein, doch Wände, Boden und Decke der Kammer sind überraschend trocken. Einige wenige Steine sind herabgefallen, ansonsten dürfte die Kammer noch genauso aussehen wie vor acht- bis neunhundert Jahren, als sie zugemauert wurde.
Schritt für Schritt nähern wir uns dem
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