Der Pakt - Rügen Thriller
phantastische Aussicht. Du kannst sogar Kap Arkona sehen. « Sie blies sich eine Schneeflocke von der Oberlippe. »Normalerweise jedenfalls.«
Rücker mochte ihre helle, leichte Stimme und ihr raues Lachen, die in einem wunderschönen Kontrast standen. Und ihm gefiel, dass sie sich so unbefangen mit ihm unterhielt. Früher war es nicht gerade häufig vorgekommen, dass er von jungen Frauen an gesprochen wurde. Und nun … Lag das an seinem neuen Reichtum? Machte ihn das viele Geld irgendwie lockerer und selbstbewusster? Hatte er plötzlich eine andere Ausstrahlung?
»Ich war als Kind ein paar Mal hier, mit meinen Eltern«, sagte er. »Aber das ist ewig her. Ich kann mich kaum noch erinnern. Wie weit ist es denn bis zum Schloss?«
Wieder das raue Lachen. Sie wies mit dem Daumen hinter sich. »Wenn du hier einfach am Wasser weiterläufst und dann in die Teufelsschlucht einbiegst, brauchst du zu Fuß vielleicht anderthalb Stunden. Ist alles ausgeschildert. Du kannst aber auch den Schlossexpress nehmen, der an der Seebrücke abfährt. Oder …« Sie zögerte einen Moment. »Wenn du willst, nehme ich dich morgen mit dem Auto mit. Da läuft gerade eine Ausstellung, die ich mir ansehen will. Ein Fotograf aus Berlin.«
Rücker spürte eine angenehm wohlige Wärme in sich aufsteigen. »Würdest du … Ich meine, wenn das ginge …?«
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Warum nicht? Das Windwood liegt praktisch auf meinem Weg. Sagen wir um zwei?«
»Einverstanden. Ich warte vor dem Eingang.«
»Dann bis morgen.« Die Frau winkte und ging weiter.
Rücker sah ihr noch einen Moment lang nach, dann setzte er seinen Spaziergang fort. Ihm fiel auf, dass er die Frau nicht einmal nach ihrem Namen gefragt hatte. Aber das konnte er ja morgen nachholen. Er lächelte, als er über das Gespräch nachdachte. Hätte er sich noch einmal umgedreht, hätte er bemerkt, dass sie ihm nun ihrerseits hinterhersah.
Ja, die Augen der Killerin waren in der Tat braun.
Kühl betrachteten sie Rücker, der sich mit gleichmäßigen Schritten entfernte. In Gedanken ging sie ihren Plan durch, während sie sich das ungefähre Gewicht des Mannes und seine Größe einprägte, seine Art, sich zu bewegen, seine mutmaßliche Reaktionsschnelligkeit. Anders als Kirijenko verdiente er sein Geld mit körperlicher Arbeit. In seinen Armen steckte eine zähe Kraft, die natürlich und durch ständigen Gebrauch gewachsen war, nicht künstlich antrainiert wie bei einem Bodybuilder. Die Kil lerin achtete auf derartige Details. Denn sie hatte die bittere Erfahrung gemacht, dass schon die kleinste Nachlässigkeit fatale Folgen haben konnte.
11
»Ich habe dieser Stadt ein Tropenbad für 35 Millionen Euro hingestellt«, grollte Peter Rottmann, in der Hand ein Stück Streuselkuchen. »Aber meine Frau bevorzugt für ihre Wellnesswochenenden ein Nobelhotel in Binz. Was sollen meine Wähler davon halten?« Genießerisch biss er von dem Kuchen ab und kaute, unter der Nase einen breiten Puderzuckerstreifen.
Er und Nora saßen im Wintergarten ihres Hauses im Stadtteil Voigdehagen. Das gemeinsame Frühstück war ein liebgewonnenes Ritual. Denn tagsüber sahen sie sich praktisch nie und abends nur selten. Der Stralsunder Oberbürgermeister war ein vielbeschäftigter Mann. Schon in wenigen Minuten würde sein Fahrer vor der Tür stehen, um ihn ins Rathaus zu bringen.
Auch Nora Rottmann konnte sich über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen. Sie gehörte dem Vorstand des Bankhauses Dollinger an, einer kleinen, aber vornehmen Privatbank, die ihren Sitz in der Altstadt hatte.
»Es geht ja nicht nur um Wellness«, sagte sie, ihre Kaffeetasse absetzend. »Wir wollen einfach mal wieder ein paar Tage ganz für uns haben. Außerdem hat Kerstin irgendwas auf dem Herzen, worüber sie mit mir reden will.«
»Wann holt sie dich ab?«, fragte Rottmann.
»Am frühen Nachmittag.«
Ein- oder zweimal im Jahr fuhr Nora Rottmann mit ihrer Zwillingsschwester übers Wochenende ins Windwood nach Binz. Die beiden teilten sich eine Suite und verbrachten viel Zeit im Spa oder mit langen Strandspaziergängen. Nora liebte diese Kurzurlaube.
»Bist du sicher, dass das Windwood eine gute Wahl ist?«, fragte Rottmann. »Nach der Geschichte mit diesem Russen, meine ich.«
»Ich habe gestern mit Walter telefoniert, dem Concierge. Er meinte, dass wieder alles völlig normal liefe. Die Kamerateams seien aus Binz verschwunden. Das Hotel hatte sämtlichen Journalisten Hausverbot erteilt, aber ein
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