Der Pakt - Rügen Thriller
dreißig.«
Mit resignierter Miene riss Juli ein Stück Focaccia ab. »Damit war zu rechnen. Deshalb muss ich dich um einen weiteren Gefallen bitten.«
»Was denn?«
»Kannst du den Peugeot holen? Ich habe ihn heute Mittag stehen lassen müssen, als die Dinge plötzlich aus dem Ruder liefen. Er steht weit genug von dem Gebäude entfernt, in dem alles passiert ist. Aber es ist besser, wenn ich mich momentan nicht auf der Straße sehen lasse.« Mit Hilfe ihres Smartphones zeigte sie ihm auf Google Maps den genauen Standort des Wagens. Bis zum Handwerkerring waren es knapp dreißig Minuten zu Fuß.
Als sie Simon an der Tür verabschiedete, strich sie ihm sanft über die Wange. »Pass auf dich auf!«, sagte sie.
Wenige Minuten, nachdem er verschwunden war, piepte ihr Telefon. Am linken oberen Rand leuchtete eine grüne LED- Lampe auf. Das Zeichen für eine neue E-Mail. Mit dem Motorola war nur der anonyme Google-Mail-Account verknüpft, den sie und Axel Gruber benutzten. Sie besaßen beide die Zugangsdaten und schickten ihre Nachrichten ausschließlich an das eigene Postfach. Die Gefahr, dass Dritte dabei mitlasen, war minimal. Sie fragte sich, was der Abgeordnete wollte. Vermutlich hatte er in den Nachrichten von den Vorfällen bei DRM erfahren. Sie öff nete ihren Account und sah sich Grubers Nachricht an.
Wir müssen reden, las sie.
Juli runzelte die Stirn. Aus naheliegenden Gründen konnte sie sich momentan nicht auf die Suche nach einem öffentlichen Telefon begeben. Und wenn sie das Smartphone benutzte, war sie l eicht zu orten. Aber wieso sollte Gruber sie hintergehen? Er hatte ebenso viel zu verlieren wie sie. Sie beschloss, es darauf ankommen zu lassen.
Geben Sie mir eine Nummer, schrieb sie zurück.
Eine Minute später kam die Nummer per E-Mail. Juli rief Gruber umgehend an.
»Ja?«, sagte er leise. Seine Stimme klang dumpfer als heute morgen, gedrückter.
»Ist das eine sichere Leitung?«, fragte sie.
»Ein Prepaidhandy, anonym in Polen gekauft, bisher nicht benutzt.«
»Weshalb wollten Sie mich sprechen?«
»Es war nicht vorgesehen, dass eine Verbindung zu … diesem Unternehmen hergestellt wird.« Er achtete darauf, keine Namen zu nennen. Das gehörte zu den Instruktionen, die Juli ihren Klienten gleich zu Beginn erteilte. Egal, ob E-Mail oder Telefon, niemals Namen nennen!
»Das hatte nichts mit mir zu tun. Die Ermittler sind vor mir dort aufgetaucht.«
»Und dann?«
»Sind die Dinge leider außer Kontrolle geraten. Aber es gibt keine Spur, die zu Ihnen führt.«
»Hoffentlich. Ich vermute, dass Sie angesichts der aktuellen Entwicklungen an einem neuen Job nicht mehr interessiert sind.«
»Der Anschlussauftrag?«
»Ja.« Er seufzte gequält. »Ich kann das Risiko nicht eingehen, dass sie redet.«
In Julis Kopf blitzte eine Idee auf. Vielleicht konnte Gruber ihr aus ihrer Misere helfen, während sie seine Probleme löste. »Wenn ich die Sache übernehme, dann auch diesmal nicht gegen Geld.«
»Sondern?«
»Das Objekt, über das wir heute früh gesprochen haben. Können Sie es für mich besorgen?«
Gruber schwieg, während er nachdachte. »Sagen wir mal so«, meinte er schließlich, »mein Erscheinen dort wäre unauffälliger als Ihres. Ja, ich denke, das könnte funktionieren. Dafür stelle ich aber eine Bedingung.«
»Welche?«
»Das Ergebnis Ihrer Bemühungen sollte natürlich wirken. Vielleicht eine Kurzschlussreaktion einer von ihrer Trauer übermannten Zwillingsschwester.«
»Ich verstehe«, sagte Juli. »Wissen Sie, wo ich sie heute Abend finde?«
»Ich hinterlege sämtliche Daten im E-Mail-Account.«
54
Manja stand im Büro der Ermittlungsrichterin. Der staubige Raum im Amtsgericht Stralsund wirkte, als sei er mit ausrangierten Mö beln verschiedener anderer Büros ausgestattet worden. Als Schreib tisch diente ein zerkratztes Ungetüm aus beschichteten Spanplatten. Davor standen Stühle mit brüchigem Kunstleder.
»Wonach genau wollen Sie suchen, Frau Koeberlin?« Die Richterin, eine Frau Ende vierzig mit tiefen Augenringen und schwäbischem Akzent, blätterte Manjas Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses durch.
»Im Grunde nach einer Erklärung.« Manja lehnte sich nach vorn. »Wir haben drei Morde in Binz und einen toten Polizisten in Stralsund. Zwischen all diesen Taten besteht ein Zusammenhang. Ich weiß nicht, welcher, aber ich weiß, dass die DRM damit zu tun hat. Oder zumindest Viktor Reznik, der zweite Geschäftsführer. Aufgrund des Fotos von der
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