Der Pakt - Rügen Thriller
Schritte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie sah, dass ihr zwei Männer in Polizeiuniformen entgegenkamen. Vor ihnen lief eine langhaarige Frau in einem eleganten anthrazitfarbenen Kostüm. Sie war in Julis Alter und hatte eine rote Akte unter dem Arm.
Juli trat ehrerbietig zur Seite, um die drei passieren zu lassen. Einer der Polizisten, der jüngere von beiden, lächelte sie an. Die Schwarzhaarige hingegen hatte keinen Blick für sie. Aber das war Juli nur recht, denn angesichts der uniformierten Begleiter sprach viel dafür, dass es sich bei dieser Frau um die Staatsanwältin handelte. Sie würde in Wendts Büro eine böse Überraschung erleben, so viel stand fest.
In der weitläufigen, hellen Lobby strebte Juli in Richtung der dunkelgrünen Sesselgruppe an der Fensterfront. Als sie vorhin im Saxonia angekommen war, hatte sie hinter einem der Sessel einen leichten cremefarbenen Sommermantel versteckt. Beim Näherkommen stellte sie erleichtert fest, dass der Sessel nicht besetzt war. Sie trat heran, tat, als wolle sie das Polster gerade rücken. Scheinbar zufällig entdeckte sie den auf dem Boden liegenden Mantel, den sie daraufhin mit verwunderter Miene aufhob. In einem der anderen Sessel saß ein Mann Mitte dreißig mit slawischen Zügen und einem militärischen Bürstenschnitt. Auf seiner gebräunten Wange leuchtete eine dünne, helle Narbe.
»Ist das Ihrer?«, fragte Juli der Form halber, obwohl klar war, dass es sich um einen Frauenmantel handelte und nichts darauf hindeutete, dass der Mann eine Begleiterin hatte.
Amüsiert schüttelte er den Kopf.
Sie schenkte ihm ein kurzes professionelles Lächeln und verschwand mit dem Mantel über dem Arm in Richtung des Tearooms, in Gang und Mimik ganz die aufmerksame Kellnerin eines Luxushotels. Hinter einer weißen Säule blieb sie stehen und schaute zurück zu den Sesseln. Der Gast mit dem Bürstenschnitt hatte sich wieder seiner Zeitung zugewandt.
Schnell zog Juli den Mantel über. Nun wirkte sie nicht mehr wie eine Kellnerin, sondern ging ohne Weiteres als Hotelgast durch. Sie betrat den hauseigenen Juweliershop. Nachdem sie einige halbherzige Blicke auf die blitzenden Auslagen geworfen hatte, nutzte sie das Eintreffen einer japanischen Reisegruppe, um den Laden durch den Ausgang zur Straße zu verlassen. Zielstrebig lief sie zum Zwingertor.
Geschafft, dachte sie, als sie die weitläufige Anlage betrat. Inmitten der Touristenströme würde sie unsichtbar werden und dann am Postplatz in eine Straßenbahn steigen. In weniger als fünfzehn Minuten konnte sie am Hauptbahnhof sein.
Plötzlich spürte sie, wie ihr Handy vibrierte. Sie stutzte. Nur ihr Klient kannte diese Nummer. War etwas schiefgegangen? Während sie hastig die unteren Knöpfe des Mantels öffnete, um das Telefon aus der Schürzentasche zu ziehen, sah sie sich unaufhörlich weiter um, schaute nach links und rechts, sogar nach hinten. Und da bemerkte sie es.
Der Bürstenschnitt folgte ihr. Sein noch immer amüsierter Blick war direkt auf sie gerichtet. Und am rechten Ohr hielt er ein Handy.
56
Zwei Stunden lang war die B 96 in beide Richtungen gesperrt. Neben der Polizei waren ein Krankenwagen und ein Löschfahrzeug vor Ort, außerdem ein Pressefotograf, der im Polizeifunk von der Sache erfahren hatte.
Der Fahrer des LKW war körperlich unversehrt, stand aber unter Schock. Der Opel Corsa hatte lichterloh gebrannt. Bisher war es der Polizei nicht gelungen, den Insassen beziehungsweise das, was von ihm übrig war, zu identifizieren.
Bei dem Opel handelte es sich um einen Wagen von Sixt, der vor einigen Tagen von einem Rostocker Strafverteidiger angemietet worden war. Eine wortkarge Sekretärin teilte dem polizeilichen Sachbearbeiter am Telefon mit, dass sich der Anwalt seit Freitag im Urlaub in Kanada befinde und nicht erreichbar sei. Der Polizist wurde mit einem Vertreter verbunden, allerdings wusste der von dem Mietwagen genauso wenig wie die Sekretärin. Der Name Jürgen Fuchs fiel nicht, und die Beamten waren viel zu sehr auf die Suche nach der kahlköpfigen Frau fixiert, als dass sie den Fall des flüchtigen Bauunternehmers vor Augen gehabt hätten.
Natürlich erreichte die Meldung von dem augenscheinlichen Selbstmord auch das Büro von Oberstaatsanwalt Mast. Doch der winkte ebenfalls ab, als er hörte, dass der Fahrer des Opels allen Zeugenaussagen zufolge ein Mann war.
»Gibt es denn endlich irgendwelche Hinweise auf unsere Täterin?«, fragte er.
»Nein, Herr
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