Der Pakt - Rügen Thriller
»Manche Dinge kommen erst zum Vorschein, wenn man sich andere von der Seele gesprochen hat, Frau Rottmann. Manchmal muss man auch einfach eine Nacht darüber schlafen.«
Nora schüttelte müde den Kopf. »Meine Schwester kannte diesen Richter nicht. Definitiv nicht. Und dieses andere Opfer, diesen …«
»Tino Rücker.«
»… den kannten wir auch nicht. Wir hatten mit beiden Männern nichts zu tun. Das kann ich beschwören. Wir sind immer zusammen ins Windwood gefahren. Schwesternwochenenden, wenn Sie so wollen. Die meiste Zeit haben wir gemeinsam verbracht. Es gab nie eine Begegnung mit diesem Russen.«
»War bei diesem letzten Besuch im Windwood irgendetwas anders als sonst?«, fragte Schilling. »Eine Änderung Ihrer Routinen vielleicht. Oder ist Ihnen etwas Außergewöhnliches aufgefallen?«
»Nein, alles war wie immer, das habe ich gestern ja schon ausgesagt. Davon abgesehen natürlich, dass der Tod dieses Richters in gewisser Weise noch gegenwärtig war.«
»Inwiefern?«
»Atmosphärisch vor allem. In den Gesprächen mit dem Concierge oder dem Restaurantpersonal zum Beispiel. Die Sache ... lag einfach noch in der Luft.«
Nach dem Verlust ihrer Umhängetasche hatte sich Manja Noras Aussage in Masts Büro noch einmal ausdrucken lassen und über flog sie nun. »Sie haben angegeben, dass Sie Ihre Schwester gestern früh zuletzt im Dampfbad gesehen haben.«
»Ja. Meine Massage hatte sich verzögert. Deshalb bin ich noch ein mal ins Dampfbad gegangen, da ich wusste, dass Kerstin dort war.«
»Sie war aber nicht allein?«
»Nein, da war noch eine junge Frau, die allerdings gerade gehen wollte, als ich hineinkam. Sie stand praktisch schon.«
»Kannten Sie sie?«
»Nicht näher. Sie war am Abend zuvor in der Neptun-Bar, da haben wir ein paar Worte mit ihr gewechselt. Aber bis dahin waren wir ihr noch nie begegnet. Das habe ich aber doch alles …«
»Hielten Sie es nicht für einen merkwürdigen Zufall«, fiel Manja ihr ins Wort, »dass die Frau Sie erst abends in der Bar anspricht und Ihnen dann am nächsten Morgen im Dampfbad begegnet?«
Nora schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Das Windwood ist zwar relativ groß, aber dass man den einen oder anderen Gast mehrfach sieht, kommt schon vor.«
»Ich vermute, dass es sich um dieselbe Frau handelt, der ich am Sonnabend in der Sauna des Hotels begegnet bin«, sagte Manja. »Etwa einssiebzig groß, schlank, kurze blonde Haare. Ich wohne momentan im Windwood«, fügte sie hinzu, als sie die Verwirrung in Noras Gesicht sah. »Diese Frau hat vor zwei Stunden bei DRM einen Polizisten getötet und versucht, mich ebenfalls umzubringen.« Sie öffnete ihren Mantel und entfernte das Tuch, das sie um den Hals trug, um Nora Rottmann die Hämatome zu zeigen. »Wir vermuten, dass sie auch Ihre Schwester ermordet hat.«
»Was?« Fassungslosigkeit und Verblüffung schwangen in Noras Stimme. »Was hat denn DRM … Sie meinen doch die Hotel-GmbH? Aber …?«
»Es muss eine Verbindung zwischen dieser Firma und Richter Kirijenko geben«, erläuterte Schilling ein wenig verdrießlich. Er schätzte es nicht sonderlich, nur die zweite Geige zu spielen. Aber Manja Koeberlin war nun einmal die Staatsanwältin.
»Was uns zum zweiten Grund unseres Besuches führt, Frau Rottmann«, sagte Manja. »Wie Sie wissen, wird in Ihrem Haus ein Konto für DRM geführt. Wir würden uns gern die Auszüge der vergangenen zwölf Monate ansehen.«
Das schien Nora zumindest kurzzeitig aus ihrer Lethargie zu reißen. »Dafür brauchen Sie einen Gerichtsbeschluss«, sagte sie.
»Wir beide wissen, dass ich keinen brauche«, erwiderte Manja sanft.
Nora Rottmann schwieg. Es war eine übliche Praxis der Banken, zunächst einmal zu mauern und zu blocken. Je vornehmer sie waren, je erlesener ihre Kundschaft, umso mehr zierten sie sich. Aber Manja hatte jetzt keine Zeit für taktische Spielchen.
»Ich kann mir beim Amtsgericht natürlich einen Beschluss beschaffen, Frau Rottmann«, sagte sie liebenswürdig. »Aber wenn ich mit einem Durchsuchungsbeschluss komme, dann durchsuche ich auch. Mit einem Dutzend Polizisten und einem Fotografen der Bild-Zeitung. Wenn Ihnen das lieber ist?«
Noras Miene verfinsterte sich. »Wollen Sie mir drohen, Frau Koeberlin?«
»Ich drohe niemals.« Manja betastete ihr geschwollenes Auge, das noch immer höllisch schmerzte. »Ich sage Ihnen lediglich, was passiert, wenn ich die Auszüge nicht auf der Stelle bekomme.«
Nora presste die Lippen
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