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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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kurz mit dem Rücken in den auffrischenden Wind, steckte mir eine Zigarette zwischen die salzverkrusteten Lippen und zündete sie im Schutz des hochgeschlagenen Mantelkragens mit meinem Feuerzeug an.
    Ohne mich zu beachten, gingen überall auf dem träge stampfenden Schiff Seeleute ihrer Arbeit nach, schrubbten die sonnengebleichten Planken, richteten Flakgeschütze, stauten Leinen, transportierten Material oder saßen einfach nur auf den Pelikanhakenstoppern, die die Ankerkette sicherten, und genossen ihre Zigarette und ihre Coca-Cola von der Erfrischungstheke in der Mannschaftsmesse. Ein, zwei Meilen entfernt zeichneten sich die Silhouetten der Geleitzerstörer ab, und hoch über mir, auf dem Kommandoturm, drehte sich die Radarantenne monoton im Kreis.
    Irgendwo schrillte eine Klingel. Mehrere kleinere Geschütztürme schwenkten nach Steuerbord, tödliche Erektionen, so stahlhart wie die Kaugummi kauenden, Witze reißenden, sexuell ausgehungerten Seeleute, die sie bemannten.
    Das erinnerte mich daran, dass es an diesem Ort kein einziges weibliches Wesen gab. Und vor allem nicht ein bestimmtes weibliches Wesen. Einen Moment lang fragte ich mich, was Diana wohl gerade tat, doch dann fiel mir wieder ein, was ich durch ihr Wohnzimmerfenster gesehen hatte.
    Da ich allmählich die Kälte in den Knochen spürte, ging ich nach vorn zum Kommandostand und stieß dort auf John Weitz, 262

    der den Gang vor meiner Kabine entlangkam. Wieder trug er die Yale-Fliege, diesmal unter einer Marinejacke, die ihm eine Nummer zu groß zu sein schien. Er hielt ein in Packpapier gewickeltes Paket unterm Arm. Er lächelte nervös, und einen Moment dachte ich, er würde einfach wortlos an mir vorbeigehen. Doch dann blieb er stehen, trat unbehaglich von einem Bein aufs andere und versuchte, ein entschuldigendes Gesicht zu machen. Leider wirkte es nur verschlagen.
    »Meine Wäsche«, sagte er und hielt linkisch das Paket hoch.
    »Irgendwie habe ich mich auf dem Rückweg in meine Kabine verlaufen.«
    Ich nickte. »Allerdings«, sagte ich. »Die Wäscherei liegt am hinteren Ende des Schiffs. Ich glaube, Leute, die sich mit so was auskennen, sprechen vom Heck.«
    »Hören Sie«, sagte Weitz. »Tut mir schrecklich Leid, was mit Ted passiert ist. Ich fühle mich scheußlich deswegen. Vor allem nach dem, was ich gesagt habe.«
    »Sie meinen, dass Sie ihn umbringen wollten?«
    Weitz schloss kurz die Augen und nickte dann. »Das war natürlich nicht so gemeint.«
    »Natürlich nicht. Wir alle sagen manchmal Sachen, die wir nicht so meinen. Gemeine Sachen, dumme Sachen, unbedachte Sachen. Sachen zu sagen, die man nicht so meint, gehört ja zu den Dingen, die Gespräche interessant machen. Wenn dann so etwas passiert, ist das nur eine Mahnung, vorsichtiger zu sein, wenn man das nächste Mal seine große Klappe aufreißt. Das ist alles.«
    Ungeachtet dessen, was ich dem Secret Service gesagt hatte, stand John Weitz auf meiner Liste der möglichen Mörder ziemlich weit oben. Wenn jemand Ted vom Schiff gestoßen hatte, dann war John Weitz als Verdächtiger nicht die schlechteste Wahl. Die ewige Fliege sprach in meinen Augen auch nicht gerade für ihn.
    263

    Weitz verzog den Mund zu einer Art Zähnefletschen. »Ja, da haben Sie wohl Recht.« Er unternahm noch einen Versuch, ein wenig Absolution zu erlangen. »Trotzdem fühle ich mich schrecklich. War nicht nötig, so was zu sagen. Das mit dem
    ›Mitreisenden‹.«
    »Ja, das war unnötig«, sagte ich. »Grässlicher Ausdruck. Und in der gegenwärtigen Situation könnten Sie wohl ebenso gut den Präsidenten einen ›Mitreisenden‹ nennen.«
    Weitz verzog wieder das Gesicht. »Mir scheint das gar nicht so weit hergeholt«, sagte er. »Ich bin Republikaner. Ich habe Roosevelt nicht gewählt.«
    »Sie waren das also.«
    Er ließ sich nicht in ein erneutes Streitgespräch verwickeln.
    »Das Schlimmste ist, dass Kapitän McCrea mich gebeten hat, Schmidts Frau zu schreiben.« Er seufzte. »Weil ich hier auf dem Schiff sonst der Einzige vom Außenministerium bin.«
    »Verstehe. Kannten Sie ihn gut?«
    »Das ist es ja. Nein, ich kannte ihn nicht gut. Wir waren Kollegen, aber nicht enger befreundet.«
    Auf der Iowa gab es kein Kino. In meiner Kabine gab es kein Radio. Und das Buch, das ich gerade las, gefiel mir nicht. Also beschloss ich, ihm ein bisschen Leine zu geben und noch ein Weilchen mit ihm zu spielen.
    »Das wundert mich nicht. Seit der Sumner-Welles-Sache im Sommer empfiehlt es sich nicht, mit

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