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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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fragte McCrea.
    Ich war mir plötzlich ganz sicher, dass Schmidt nicht über Bord gesprungen war. Und wenn er nicht auf dem Schiff war, gab es nur zwei andere Möglichkeiten. Dass er im Suff über Bord gefallen war. Oder dass ihn jemand gestoßen hatte, und in diesem Fall war es vermutlich das Beste, so wenig wie möglich zu sagen. Und auf keinen Fall würde ich die Sache mit Schmidts Frau und Thornton Cole erwähnen.
    »Keine Ahnung«, sagte ich.
    »Der Oberbootsmann sagt, es gab gestern in der Messe eine Auseinandersetzung. Zwischen Mr. Schmidt und Mr. Weitz vom 256

    Außenministerium. Eine der Messeordonnanzen sagt, es sei zu Handgreiflichkeiten gekommen. Und Sie seien auch dabei gewesen.«
    »Ja. Sie haben diskutiert, über unser Verhältnis zur Sowjetunion. Es wurde ein Streit daraus, wie es bei solchen Dingen manchmal passiert. Mr. Schmidt setzte sich für unsere russischen Verbündeten ein, und Mr. Weitz war gegenteiliger Meinung. Aber es ist doch nicht ungewöhnlich, dass Beamte des Außenministeriums zu diesem Thema verschiedener Ansicht sind. Zumal jetzt, wo der Präsident kurz davor ist, bei der Konferenz der Großen Drei Marschall Stalin die Hand zu schütteln.«
    »Das wundert mich aber doch«, sagte McCrea. »Diese Männer waren Diplomaten. Es ist doch ungewöhnlich, dass zwei Diplomaten sich wegen so etwas gleich prügeln.«
    »Unter normalen Umständen würde ich Ihnen da beistimmen, Käpt’n. Aber es ist vielleicht ein bisschen anders, wenn man auf einem Kriegsschiff mitten auf dem Atlantik schwimmt. Wir alle sind hier wie die Ölsardinen mit Leuten zusammengepfercht, deren Ansichten wir uns nicht entziehen können. Leuten, wie ich hinzufügen möchte, die keiner militärischen Disziplin unterliegen.«
    McCrea nickte. »Das stimmt.«
    »Mal eine ganz direkte Frage, Professor«, sagte Agent Rauff.
    »Wenn nun Schmidt Mr. Weitz noch mal getroffen hätte.
    Letzte Nacht zum Beispiel. Halten Sie es für möglich, dass es wieder zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre?«
    Offensichtlich hatte sich Rauff bereits John Weitz als Schuldigen ausgeguckt.
    »Ja, das könnte sein. Aber ich halte John Weitz gewiss nicht für den Typ, der einen Mann wegen einer Meinungsver-schiedenheit über Bord wirft, falls Sie darauf hinauswollen.«
    257

    Auf dem Rückweg in meine Kabine fand ich mich von zwei Agenten eskortiert.
    »Ihr Argument, dass jemand, der Angst vor dem Ertrinken hat, sich wohl nicht freiwillig über Bord stürzen wird, leuchtet mir ein«, erklärte Rauff. »Also hat da vielleicht jemand anders nachgeholfen.«
    »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen«, gab ich zu.
    »In dem Fall könnte es sein, dass der Präsident ebenfalls gefährdet ist. Deshalb müssen wir, fürchte ich, die persönlichen Sachen des Toten durchsehen, für den Fall, dass es da einen Abschiedsbrief oder Ähnliches gibt.«
    »Bedienen Sie sich.« Ich öffnete die Tür und zeigte auf Schmidts Bett. »Das war sein Bett. Und das sind seine Sachen.
    Aber ich habe schon nach einem Abschiedsbrief geschaut. Da ist keiner.«
    Da in der Kabine kaum noch Platz war, wartete ich während der Durchsuchungsaktion in der Tür, was mir Gelegenheit gab, die beiden Agenten etwas genauer zu beobachten.
    »Sie müssen es hier drin ja ganz gemütlich gehabt haben«, bemerkte Rauff. Er hatte dunkle Haare und tiefliegende, träge Augen, ein wölfisches Grinsen und ein Gesicht, das aussah, als hätte er als Kind eine besonders schwere Form von Windpocken gehabt.
    »Wir arbeiten mit drei weiteren Männern zusammen«, erklärte Pawlikowski. »Weiter vorn, oben auf dem zweiten Deck, direkt unter einem dieser Vierzig-Zentimeter-Geschütze. Da ist ein Munitionsaufzug, der den Turm mit Granaten versorgt. Und den hören wir fast ununterbrochen, weil sie ständig irgendwelche Übungen durchführen. Sogar nachts. Unglaublich, dieser Krach.
    Aber hier kann man sich ja selbst denken hören.« Er sah von der offenen Tasche vor ihm auf und wandte sich mir zu. »Sie haben sicher viel miteinander geredet.«
    »Wenn wir nicht gelesen oder geschlafen haben.«
    258

    Pawlikowski wuchtete eine weitere Tasche auf mein Bett und begann sie zu durchsuchen. Er sah aus, als hätte er früher geboxt: Seine Kinnlade war ebenso quadratisch-kantig wie der Siegelring an seinem Finger. Ein Zwei-Dollar-Reiseschach schaute aus einer seiner Jackentaschen hervor. Er versuchte vergeblich, ein Gähnen zu unterdrücken, während er seiner Arbeit nachging.
    »Sind Sie der Chef des

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