Der Pakt
dorthin zurückkehrt. Was er sicher tun wird. Dies ist ein großes Schiff. Da verlaufe ich mich selbst manchmal.«
Ich ging in meine Kabine, legte mich auf mein Bett und versuchte, nicht an das zu denken, was sich mir aufdrängte: dass Schmidt vielleicht Selbstmord begangen haben könnte. Auf einem Schiff, wo die Kanoniere Derringers im Stiefel trugen, um nicht wie Ratten in ihren Geschütztürmen zu ersaufen, mochten Liebe und Eifersucht ja als ziemlich altmodische und unmännliche Gründe für den Freitod erscheinen, aber ihre desaströse Wirkung auf den armen Ted Schmidt ließ sich nun mal nicht leugnen. Und während ich für mich selbst Selbstmord als Lösung verworfen hatte, kannte ich ihn doch nicht gut genug, um einschätzen zu können, ob er der Typ dafür war oder nicht. Vorausgesetzt, es gab überhaupt einen Typ dafür.
Unruhig stand ich auf und durchsuchte Schmidts Gepäck auf irgendeinen Hinweis, vielleicht einen Abschiedsbrief. Da war tatsächlich ein Brief. Aber er war nicht von Ted. In einem braunen, ledergebundenen Adressbuch fand ich den Brief von Teds Frau Debbie, in dem sie ihm ihr Verhältnis mit Thornton Cole beichtete und ihm mitteilte, sie werde ihn verlassen. Ich steckte den Brief ein, in der Absicht, ihn Kapitän McCrea zu geben, falls Schmidt nicht irgendwo an Bord gefunden wurde.
Gegen Mittag, als die Suche schon fast zwei Stunden im Gang war, klopfte es an der Kabinentür. Ein Matrose trat ein und salutierte. Er sah aus, als wäre er höchstens zwölf Jahre alt.
»Grüße vom Kapitän, Sir. Ob Sie bitte in seine Kabine kommen könnten.«
»Sofort«, sagte ich, schnappte mir meinen Mantel und folgte dem jungen Matrosen nach vorn. »Keine Spur von Mr. Schmidt, nehme ich an?«
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Aber der Junge erwiderte nur achselzuckend, das wisse er nicht.
Beim Kapitän traf ich den Oberbootsmann sowie die Agenten Qualter, Rowley, Rauff und Pawlikowski. Ihre düsteren Mienen sagten das Schlimmste. McCrea räusperte sich und richtete sich auf.
»Wir haben das Schiff vom Bug bis zum Heck abgesucht, aber von Schmidt keine Spur. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass er über Bord gegangen ist.«
»Und? Stoppen wir? Ich meine, wenn er über Bord gegangen ist, sollten wir doch nach ihm suchen, so wie wir nach dem Mann von der Willie D. gesucht haben.«
Der Kapitän und der Überbootsmann wechselten einen müden Blick.
»Wann haben Sie Mr.
Schmidt zuletzt gesehen?«, fragte
McCrea.
»Gestern Abend, so um zehn. Ich bin gleich nach dem Abendessen schlafen gegangen. Ich war völlig erledigt von der ganzen Seeluft. Und auch ein bisschen betrunken vermutlich.
Schmidt war wohl auch ein bisschen betrunken. So um elf meinte ich zu hören, wie er die Kabine verließ. Ich nahm an, er wollte aufs Klo. Ich habe ihn nicht zurückkommen hören.«
McCrea nickte. »Das würde passen. Der Oberbootsmann hier hat etwa um 23.20 Uhr mit Mr. Schmidt gesprochen.«
»Er hat schon nach Alkohol gerochen«, sagte der Oberbootsmann. »Aber betrunken kam er mir nicht vor. Er wollte wissen, wie er zum Logis der Secret-Service-Leute kommt.«
»Nur dass er da nie angekommen ist«, sagte Rauff.
»Ihnen ist bekannt, dass auf diesem Schiff Alkohol verboten ist?«, sagte McCrea.
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»Ja. Ich nehme an, dem Präsidenten ist das auch bekannt. Und mit dem habe ich vorgestern Abend auch das eine oder andere Glas getrunken.«
McCrea nickte geduldig. »Gut. Nehmen wir einfach mal hypothetisch an, er wäre so um Mitternacht über Bord gegangen.
Das war vor zwölf Stunden. Seither haben wir fast dreihundert Seemeilen zurückgelegt. Selbst wenn wir umkehren würden, um ihn zu suchen, wäre das aussichtslos. Er könnte nie und nimmer vierundzwanzig Stunden im Atlantik überleben. Ich fürchte, der Mann ist tot.«
Ich seufzte. »Armer Ted. Sein Bruder war auf der Yorktown, wissen Sie? Er ist auch ertrunken.« Noch während ich das sagte, fiel mir ein, dass Schmidt gesagt hatte, wegen der Sache mit seinem Bruder habe er schreckliche Angst vor dem Ertrinken.
Das machte es höchst unwahrscheinlich, dass Schmidt sich freiwillig ins Wasser gestürzt hatte. Wenn er Selbstmord hätte begehen wollen, wäre ihm sicher eine andere Methode eingefallen. Er hätte beispielsweise meine Pistole nehmen können. Schließlich hatte er ja gesehen, wo ich sie aufbewahrte.
»Aber ich glaube nicht, dass er gesprungen ist. Er hatte ungeheure Angst vor dem Ertrinken.«
»Haben Sie eine Ahnung, worüber Schmidt mit dem Secret Service reden wollte?«,
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