Der Pakt
und Gassen. Jede Straße war auf eine bestimmte Handelsware spezialisiert. Mehdizadeh brachte sie in die Teppichstraße, wo er ihnen einen Unterschlupf in einer stillgelegten Teppichknüpferei besorgt hatte. Da in dem 397
Gebäude noch immer Teppiche herumlagen, erwies es sich als recht komfortabel. Essen wurde ihnen gebracht. Ihre erste warme Mahlzeit im Iran bestand aus Brot und einer Art Ragout namens Dizi. Der Tee kam aus einem Samowar, sodass sich Osters Ukrainer sofort heimisch fühlten. Mehdizadeh allerdings erklärte Oster, seiner Meinung nach sei es ein Fehler von Berlin gewesen, Ukrainer für diese Mission einzusetzen. Seine Kaschgai-Brüder betrachteten Osters Ukrainer als Russen. Es kostete Oster einige Zeit, Mehdizadeh davon zu überzeugen, dass Ukrainer nicht nur etwas anderes waren als Russen, sondern obendrein mehr Gründe als irgendjemand sonst hatten, die Russen zu hassen.
Am Mittwochmorgen führte der Ringkämpfer Oster zum Haupteingang des Basars, wo sie einen der deutschen Agenten in Teheran treffen sollten. Oster trug einen dunklen Anzug und eine Kappe. Da die meisten Männer in Teheran europäisch geschnittene Hosen, kurze Mäntel und Pahlevi-Hüte trugen, fiel er nicht weiter auf. Oster wusste über seinen Kontaktmann Lothar Schoellhorn nur, dass er früher eine Boxschule in Berlin betrieben hatte und vor seiner Übersiedlung nach Persien als Auftragsmörder für die Abwehr gearbeitet hatte. Oster hatte mehr oder weniger mit einem primitiven Schläger gerechnet, stieß aber auf einen recht gebildeten und kultivierten Mann, der sehr ausgeprägte Ansichten über seine neue Heimatstadt hegte.
Vom Basartor gingen die drei Männer die Ferdosi Street hinauf, in Richtung britische Botschaft.
»Eine ziemlich enttäuschende Stadt, dieses Teheran«, sagte Schoellhorn. »Architektonisch zumindest. Der moderne Teil ist eher französisch und daher etwas prätentiös. Wie die Champs-
Élysées für Arme. Selbst das Meijlis – das iranische Parlamentsgebäude – ist nicht sonderlich bemerkenswert. Nur der Basar hat noch etwas vom alten, ganz und gar orientalischen Teheran. Alles andere ist leider zu gesichtsloser Mittelmäßigkeit 398
modernisiert worden. Natürlich gibt es hier und da noch eine Moschee. Aber das ist auch schon so ziemlich alles.
Im Winter ist es hier viel zu kalt und im Sommer viel zu heiß.
Aus diesem Grund unterhalten die Briten wie die Amerikaner jeweils zwei Botschaften. Momentan sind die Briten gerade in ihrer Winterbotschaft, die Sie gleich sehen werden. Es ist ein ziemlich klappriges Gebäude, das das indische Bauministerium vor vielen Jahren schlampig zusammengeschustert hat. Da die Briten den Persern nun mal nicht über den Weg trauen, haben sie hier noch immer eine kleine Garde indischer Infanteristen stehen, zum Schutz des Botschafters. Hier und auch in der Sommerbotschaft in Gulheh.« Schoellhorn lächelte. »Es wäre ja schließlich fatal, die falsche Botschaft anzugreifen.«
Oster sah sich nervös um, ob auch niemand mitgehört hatte.
»Oh, keine Bange, mein Freund. Es wimmelt hier zwar tatsächlich von NKWD-Agenten, aber die würde selbst ein Blinder auf den ersten Blick erkennen. Keiner von denen spricht Farsi, und selbst in ihrer Besatzungszone im Norden der Stadt setzen sie keine persische Polizei oder Gendarmerie ein. Was zur Folge hat, dass sie hier nichts zuwege bringen. Vor den Briten müssen wir wohl ein wenig auf der Hut sein. Aber die Amerikaner haben keine Ahnung von den Persern und können die Ordnung nur deshalb aufrechterhalten, weil sie bisher noch nicht so verhasst sind wie die Briten und die Russen. Der Mann, der die amerikanische Polizei unter sich hat, ein gewisser General Schwarzkopf, war früher mal Erzähler einer beliebten Kriminalsendung im Radio – können Sie sich so was vorstellen?
Ebendieser Schwarzkopf war der Dummkopf, der bei der Lindbergh-Entführung die Ermittlungen leitete, und Sie erinnern sich vielleicht, wie da gepfuscht wurde – und wie die Ermordung des Kindes einem Deutschen in die Schuhe geschoben wurde.«
Schoellhorn ging langsamer, als eine mächtige Stacheldraht-sperre in Sicht kam. Hinter der Sperre standen zwei 399
Panzerwagen und mehrere indische Soldaten in britischer Uniform.
»Hinter der Sperre und den Bäumen dort liegen die britische und die russische Botschaft«, sagte Schoellhorn. »Dazwischen verläuft eine enge Seitenstraße, aber in der Mauer der britischen Botschaft gibt es ein schmales
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