Der Pakt
Schenkeln. Ich dachte an Mrs.
Schmidt im kalten Schubfach eines
Leichenkellers der Metro Police. Ich dachte an den Präsidenten.
Ich dachte an Harry Hopkins und Winston Churchill und Josef Stalin. Ich dachte sogar an Wild Bill Donovan und Colonel Powell. Aber vor allem dachte ich an Elena. Die Schatten krochen über den Nachttisch, und ich dachte an den Tod. Ich dachte an meinen eigenen Tod und beruhigte mich damit, dass er mir so weit weg schien, wenn ich mit Elena zusammen war.
Ich schlief eine Weile und träumte von ihr. Als ich aufwachte, war sie im Bad und sang leise vor sich hin. Ich setzte mich auf, knipste die Nachttischlampe an und sah mich nach etwas Lesbarem um. Auf einer großen Kommode lagen mehrere ledergebundene Fotoalben. In der Annahme, dass sie vielleicht ein paar Fotos aus unserer gemeinsamen Zeit in Berlin enthielten, schlug ich eins davon auf und begann zu blättern. Die meisten Fotos zeigten Elena in diversen Kairoer Nachtclubs, mit ihrem verstorbenen Mann Freddy und ein-, zweimal mit König Faruk persönlich. Doch eine Seite mit Fotos, die im Dachgarten der Auberge des Pyramides aufgenommen waren (Elena beschriftete ihre gesamten Fotos säuberlich mit Bleistift), gab mir schon zum zweiten Mal an diesem Tag das Gefühl, als hätte mich ein Kamel in die Magengrube getreten.
Auf den Fotos saß Elena neben einem gut aussehenden Mann in einem cremefarbenen Leinenanzug. Er hatte den Arm um sie gelegt. Die beiden wirkten sehr vertraut. Das Verblüffende war, dass dieser Mann momentan in einer Zelle in Grey Pillars saß, keine halbe Meile von hier. Der Mann auf den Fotos war Major Max Reichleitner.
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Ich sagte mir, dass diese Fotos kaum aus der Zeit vor dem Krieg stammen konnten. Hatte Coogan nicht gesagt, die Auberge des Pyramides habe erst vor ein paar Monaten eröffnet? Als ich Elena aus dem Bad kommen hörte, legte ich das Album rasch weg und nahm meine kaum angerührte Zigarette aus dem Aschenbecher.
»Zünde mir auch eine an, ja, Darling?«, sagte sie. Sie trug nichts als eine goldene Uhr.
»Du kannst die hier haben«, sagte ich und rutschte auf ihre Seite hinüber.
Ich beobachtete sie genau. Sie zog einmal an der Zigarette und drückte sie dann aus. Sie löste ihr blondes Haar, das ihr bis über die Taille reichte, und begann, es ein wenig zerstreut zu bürsten.
Da sie glaubte, ich sähe sie verlangend an, sagte sie lächelnd:
»Du willst mich noch mal? Ist es das?«
Sie legte sich aufs Bett und breitete erwartungsvoll die Arme aus. Ich holte tief Luft und kniete mich über sie. Aber was, wenn sie selbst für die Deutschen arbeitete? Wenn doch aus diesen Fotos eine solche Intimität zwischen Reichleitner und ihr sprach, war es dann denkbar, dass er nach Kairo kommen würde, ohne den Versuch zu machen, sie zu sehen? Elena musste seine Kontaktperson sein. Sie konnte nicht wissen, dass Reichleitner von den Alliierten gefangen genommen worden war.
Ich drang in sie ein, was ihr einen langen, bebenden Seufzer entlockte.
Jetzt kam es mir plötzlich verdächtig vor, dass sie so schnell wieder mit mir ins Bett gegangen war. Ich stieß hart in sie, fast als wollte ich sie für das doppelte Spiel bestrafen, das ich ihr inzwischen unterstellte. Elena kam mit ähnlicher Heftigkeit.
Einen Moment lang überließ ich mich ganz unserer Lust. Dann kuschelte sie sich an mich. Meine Zweifel kehrten wieder.
Konnte es sein, dass sie mehr war als nur eine Kontaktperson?
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Aber wenn sie eine deutsche Spionin war, wann war sie dann angeworben worden? Ich versetzte mich zurück ins Berlin des Sommers 1938 und versuchte, die Elena Pontiatowska zurückzuholen, der ich mich damals so nah gefühlt hatte.
Elena hatte die Bolschewiken gehasst, so viel war klar. Ich erinnerte mich an ein Gespräch, das wir geführt hatten, als die ersten Nachrichten von Stalins Terror in der Ukraine den Westen erreichten. Elena, deren Vater im polnisch-russischen Krieg von 1920 gekämpft hatte, hatte darauf beharrt, dass das ganze Gebäude des Sowjetkommunismus auf Massenmord gründe und Lenin in dieser Hinsicht schon genauso schlimm gewesen sei wie Stalin.
»Mein Vater hat immer gesagt, dass Lenin die Ausrottung der Donkosaken befohlen hat – einer Million Männer, Frauen und Kinder«, hatte sie mir erklärt. »Nicht, dass ich für die Nazis bin.
Das bin ich nicht. Ich fürchte nur einfach die Russen noch mehr.
Ich weiß, so dumm und grausam die Nazis auch sein mögen, die Russen sind viel schlimmer. Wenn Hitler
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