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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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die Pistole aus der Hand, warf das Magazin aus und pulte mit den Daumen eine Patrone in seine hohle Hand, um sie dann Oster hinzuhalten.
    »Das ist Mauser-Munition. Deutsches Fabrikat und außerdem abgeplattet. Runtergefeilt, damit sie eine größere Wunde reißt.
    Was die Identifizierung des Toten erschwert. Das ist typisch SMERSH.«
    »SMERSH?«, fragte Schoellhorn stirnrunzelnd. »Was ist das?«
    »Das ist ein russisches Kurzwort aus Anfangsbuchstaben«, erklärte Schkwarzew. »Steht für ›Tod den Spionen‹. Der 402

    SMERSH ist die Spionageabwehrabteilung des NKWD und Stalins persönliche Mordbrigade.«
    Oster seufzte und blickte dann zu Schoellhorn und Mehdizadeh. »Wir müssen einen anderen Unterschlupf finden.
    Können Sie das organisieren?«
    »Das wird nicht leicht«, sagte Mehdizadeh. »Es hat schon eine ganze Weile gedauert, das hier zu finden. Aber ich werde sehen, was sich machen lässt.« Er ging.
    »Was sollen wir mit ihm machen?«, fragte Schnabel und zeigte auf den Gefangenen.
    »Für ein reguläres Verhör haben wir keine Zeit«, sagte Oster.
    »Wir müssen ihn einfach erschießen und hier lassen.«
    »Im Gegenteil.« Schkwarzew grinste. »Wir haben Zeit, ihn zu verhören. Regulär oder nicht, das läuft doch auf dasselbe raus.
    In fünf Minuten habe ich diesen Kerl so weit, dass er den Trotzki-Mord gesteht, wenn es das ist, was Sie wollen.«
    Oster hatte etwas gegen Folter, aber ihm war klar, dass es die einzige Möglichkeit war, in Erfahrung zu bringen, was die Russen bereits wussten. »Gut«, beschied er Schkwarzew. »Tun Sie’s. Aber kosten Sie’s nicht unnötig aus.«
    In diesem Gebäude waren Teppiche aus Wolle geknüpft worden, von Hand. Die fertigen Teppiche hatte man auf dem Fußboden ausgebreitet, um Unebenheiten oder kleinere Mängel mit einem schweren Eisen auszubügeln, das mit glühenden Kohlen aus dem Feuer gefüllt wurde. Sobald der SMERSH-Agent sah, dass die Ukrainer das heiße Bügeleisen auf seinen bloßen Fußsohlen anzuwenden gedachten, begann er zu reden.
    Schkwarzews Männer schienen einen Moment lang enttäuscht, dass sie nun doch nicht dazu kommen sollten, einen verhassten Feind zu peinigen.
    »Ja, ja, schon gut, ich sage alles«, winselte der Mann. »Ich habe auf dem Basar herumgeschnüffelt, weil ich dachte, 403

    vielleicht würde ich hier etwas herausfinden. Ganz Teheran weiß doch, dass hier das Zentrum des Widerstands ist, also dachte ich, es würde sich vielleicht lohnen, hier nach Ihnen zu suchen.«
    »Was meinen Sie mit ›nach uns suchen‹?«, wollte Oster wissen.
    »Sie sind doch das deutsche Fallschirmkommando. Einer von Ihren Kaschgai ist ins SMERSH-Gebäude an der Syroos Street gekommen und hat uns erzählt, irgendwo außerhalb der Stadt seien zwei SS-Kommandos gelandet. Wegen der Konferenz der Großen Drei. Er hat uns die Information verkauft. Die eine Gruppe haben wir schon erwischt, in der Nähe der Radaranlage auf dem Flughafen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis Sie auch verhaftet werden.«
    »Gehen Sie sofort ans Funkgerät«, befahl Oster Untersturmführer Schnabel. »Sehen Sie zu, dass Sie von Holten-Pflug alarmieren, wenn es nicht schon zu spät ist. Und machen Sie’s kurz, für den Fall, dass sie uns zu orten versuchen.«
    »Wer ist Ihr Chef?«, fragte Schkwarzew.
    »Oberst Andrej Michailowitsch Wertinskij. Das heißt, er war’s – jetzt ist da ein Neuer. Ein Jude aus Kiew.
    Brigadegeneral Michail Moissejewitsch Melamed.«
    »Den kenne ich«, knurrte Schkwarzew. »Er ist Kommissar der Staatssicherheit dritten Ranges und der bestgehasste NKWD-Offizier in der gesamten Roten Armee.«
    »Das ist er«, verkündete der Gefangene. »Aber wer weiß, wer am Ende der Woche das Kommando hat? Berijas Stellvertreter, General Merkulow, kommt morgen hier an. Und dann noch sein Sekretär, Viktor Abakumow. Berija selbst kommt, soweit ich weiß, auch.«
    »Wie viele NKWD-Leute sind im Moment hier in Teheran?«, fragte Schkwarzew.
    404

    »Ein paar hundert mindestens. Und Ende Oktober haben sie uns noch dreitausend Mann von der Roten Armee zusätzlich geschickt. Unter dem Kommando von Krulew.«
    »Sonst noch irgendwelche Offiziere, die Sie kennen?«
    »Arkadiew, der Sowjet-Kommissar der Staatssicherheit. Und General Abramow von der NKWD-Verwaltung für die Region Naher Osten. Sie sind gekommen, um die restlichen Nazi-Sympathisanten auszuheben. Etwa dreihundert Polen. Von denen die meisten ursprünglich schon in Polen verhaftet worden waren.« Und er setzte

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