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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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weil ich Sie gebeten habe zu kommen.«
    Aber ich war mir nicht mehr sicher, ob der britische Premier nicht doch irgendeine Absicht damit verfolgt hatte, mich zu seiner Party einzuladen. Vielleicht war es ja Grund genug, Stalin zu irritieren.
    In sicherem Abstand folgte ich Churchill ins Speisezimmer. Es sah darin aus wie in einem Kairoer Nachtclub: schwere, rote Samtvorhänge an dicken Messingstangen, die Wände mit einem Spiegelglasmosaik verziert. Die Gesamtwirkung war weniger imperial als vielmehr schwül.
    Ein rot-blau gekleideter Kellner mit viel zu kleinen weißen Handschuhen trat auf Stalin zu, verneigte sich und bot ihm ein Tablett mit Drinks an, die der Sowjetchef misstrauisch beäugte.
    Die Tafel war mit Kristall und Silber gedeckt. In der Mitte stand eine mächtige Geburtstagstorte mit neunundsechzig Kerzen. Beim Studium der Tischkärtchen stellte ich fest, dass ich näher bei Stalin platziert war, als es ihm oder mir recht sein 548

    konnte. Seit dem Vorfall auf der Terrasse hatte ich ein besonders ungutes Gefühl auf dieser Geburtstagsparty, und die Erkenntnis, dass ich nur sechs Plätze von Stalin entfernt sitzen sollte, machte es nicht gerade besser. Ich fragte mich, ob es sein konnte, dass Stalin Churchill deshalb so hatte abblitzen lassen, weil der Premierminister mich eingeladen hatte. Und hatte mir Roosevelt wirklich die kalte Schulter gezeigt? Wenn sich der Präsident von mir abgewandt hatte, konnte der Abend nur im Desaster enden.
    Ich nahm mein Tischkärtchen und ging auf die hintere Terrasse hinaus, um eine Zigarette zu rauchen und zu überlegen, was ich jetzt tun sollte.
    Im Garten der Botschaft war es still. Nur das Plätschern von Wasser, das in einen großen, rechteckigen Fischteich rann, und das Zischen von Sturmlaternen war zu hören – eine vorbeugende Maßnahme gegen Stromausfälle. Ich ging die Stufen hinab und den Rand des Fischteichs entlang, den Blick auf den vollen weißen Mond geheftet, der reglos auf dem Wasser schwamm.
    Wenn nur die Briten mit mir sprachen, war es wenig sinnvoll, ins Speisezimmer zurückzukehren.
    Ich ging an den Küchen vorbei, kam zu einem friedlichen, überdachten Plätzchen, einer von Geißblatt und Glyzinien umrankten Rotunde, und setzte mich hin, um meine Zigarette zu Ende zu rauchen. Als sich meine Augen an das Dunkel gewöhnten, erkannte ich einen Wasserkarren und an der Wand einen mächtigen Messingwasserhahn. Ich schloss müde die Augen und versuchte, mich in glücklichere Zeiten zurückzuversetzen – in mein Zimmer in Princeton, allein, nur mit einem Buch, den Glockenschlägen vom Turm der Nassau Hall und dem Ticken der Eardley-Norton-Stutzuhr auf dem Antebellum-Kaminsims.
    Ich öffnete die Augen wieder, denn plötzlich war mir, als hörte ich tatsächlich das Ticken dieser alten georgianischen Uhr, die mir meine Mutter zum bestandenen Examen geschenkt hatte. Ich holte eine Sturmlaterne von der Terrasse und leuchtete die 549

    Rotunde aus, auf der Suche nach der Quelle des Geräuschs. Es kam, wie ich feststellte, aus dem Inneren des Wasserkarrens. Als ich das Ohr an den kühlen Blechzylinder des Furphy presste, klang das Ticken infernalisch laut.
    Eine Bombe. In dem Karren war eine Bombe! Und der Größe des Tanks nach eine ziemlich riesige. Ich sah auf die Uhr. Es war ein paar Minuten vor neun.
    Ich hob die Holzdeichseln des Wasserkarrens an, stemmte mich in das Ledergeschirr und zog. Zuerst schien sich der Karren nicht vom Fleck zu rühren, aber schließlich, als ich schon schweißgebadet war und mein Kopf zu platzen drohte, setzte er sich in Bewegung und folgte mir langsam aus der Rotunde hinaus ins Freie.
    Ich gab einen absurden Helden ab, in Smoking und Abendslippern. Aber ich musste den Karren in Bewegung halten, wenigstens bis ich ihn vom Hauptgebäude weggezogen hatte. Ich erreichte die Einfahrt und fand mit meinen Ledersohlen auf dem Kies nur schwer Halt. Ich blieb kurz stehen, zog den Smoking aus und warf ihn von mir, ehe ich mich wieder ins Joch stemmte und den Karren in Richtung Haupttor zog.
    Zwei Sikh-Wachen kamen mit aufgepflanztem Bajonett, aber ansonsten eher gelassen auf mich zu und guckten verdutzt.
    »Was machen Sie da, Sahib?«, fragte der eine.
    »Fassen Sie mit an«, sagte ich. »In dem Ding ist eine Zeitbombe.«
    Sie starrten mich verständnislos an.
    »Verstehen Sie denn nicht? Das ist eine Bombe.«
    Jetzt war der andere so schlau, zum Hauptgebäude zu rennen.
    Ich kam inzwischen leidlich voran und war schon am Tor, als der

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