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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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meinen eigenen Leuten in Teheran zum Aussätzigen geworden war. Doch unmittelbar nach meiner Ankunft in der britischen Botschaft setzte mich Harry Hopkins ins Bild.
    »Großer Gott, Mayer«, zischte er. »Was machen Sie denn hier?«
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    Churchill, der mitgehört hatte, trat auf ihn zu und knurrte wie eine Bulldogge, die ihren Lieblingsknochen verteidigt.
    »Er ist hier, weil ich ihn eingeladen habe, Harry. Professor Mayer weiß wohl, dass ich es als persönliche Beleidigung aufgefasst hätte, wenn er heute Abend nicht gekommen wäre.
    Habe ich Recht, Professor?«
    »Ja, Herr Premierminister.«
    »Verzeihung, meine Herren.« Churchills Sohn Randolph, der ausnahmsweise einmal nüchtern wirkte, fasste seinen Vater am Ellbogen. »Kann ich dich mal kurz sprechen, Papa?«
    Der Premierminister wandte sich seinem Sohn zu und sagte gütig: »Ja, Randolph, was ist?«
    Hopkins sah mich an, als ob meine Gliedmaßenstümpfe brandig wären. »Na, gut«, sagte er seufzend. »Aber versuchen Sie um Himmels willen, Stalin nicht unter die Augen zu kommen. Es ist ohnehin schon alles schwierig genug.« Dann ging er abrupt davon, um mit seinem Sohn zu sprechen, der ebenfalls unter den Gästen war.
    Das nahm Churchill als Stichwort, zurückzukommen und mit mir zu reden. Plaudernd leerten wir mehrere Gläser Champagner.
    »Meine Tochter hat mir gar nicht gesagt, dass es auch Party-Spiele gibt«, sagte Churchill humorvoll, als er sah, wie Reilly und der Secret-Service-Trupp die eine Hälfte der britischen Botschaft durchsuchten, während das NKWD sich die andere vornahm.
    »Das Problem bei der Schatzsuche ist, dass das Suchen immer viel mehr Spaß macht als das Finden. Das ist, fürchte ich, eine Grundwahrheit des Lebens. Und ein Axiom, das mir auch jetzt noch, in meinem siebzigsten Jahr, sehr zu denken gibt.
    Tatsächlich frage ich mich oft: Wird sich der Sieg am Ende so gut anfühlen wie die letzte Schlacht?«
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    Kurz darauf traf Roosevelt ein. Mit einem Schal gegen die Abendkühle geschützt, wurde er von seinem Sohn Elliott eine Rampe zur Terrasse hinaufgeschoben. Vor dem Haupteingang der britischen Botschaft, wo eine Ehrenwache aufgezogen war, begrüßte Churchill den amerikanischen Präsidenten. Dieser übergab ihm sein Geburtstagsgeschenk – eine persische Schale, erstanden im Devisenladen auf dem russischen Botschaftsgelände.
    »Mögen uns noch viele gemeinsame Jahre beschieden sein«, erklärte Roosevelt dem strahlenden Premierminister und ließ sich dann in das Speisezimmer rollen. Als er mich sah, blickte er rasch in eine andere Richtung und begann ein Gespräch mit Averell Harriman.
    »Als jemand, der oft geächtet wurde«, sagte Churchill, »habe ich mir immer gesagt, lieber geächtet als ignoriert werden.«
    Er fasste mich am Arm und führte mich wieder hinaus auf die Frontterrasse, wo die Ehrenwache jetzt auf Stalins Ankunft wartete. Eine große, schwarze Limousine war in der Einfahrt der Botschaft aufgetaucht und rollte jetzt auf den Eingang zu. Für Churchills Sikhs war das das Signal, das Gewehr zu präsentieren.
    Als ich Stalin, Molotow und Woroschilow aus der Limousine steigen sah, wollte ich schon wieder hineingehen, aber der Premierminister hielt mich am Ellbogen fest. »Nein, nein«, knurrte Churchill. »Stalin mag ja in Osteuropa seinen Willen kriegen, aber das hier ist verdammt nochmal meine Party.«
    Stalin, in seinem senffarbenen Uniformrock und einem ebenfalls senfgelben, scharlachrot gefütterten Cape, kam die Botschaftstreppe herauf. Als er mich neben Churchill stehen sah, blieb er stehen, worauf ein britischer Botschaftsdiener zwischen zwei Stalin-Leibwächtern hindurchschlüpfte, um dem sowjetischen Staatsoberhaupt das Cape abzunehmen, was 547

    wiederum einen der Leibwächter veranlasste, die Pistole zu ziehen und sie dem armen Mann in die Magengrube zu rammen.
    »Du liebe Güte«, murmelte Churchill, »das hat uns gerade noch gefehlt.« Um die Situation zu entschärfen, trat er einen Schritt vor und streckte Stalin die Hand hin. »Guten Abend, Marschall Stalin«, sagte Churchill. »Und willkommen auf meiner Geburtstagsparty. Ich glaube, dieser Mann wollte Ihnen nur das Cape abnehmen.«
    Zu meinem Entsetzen ignorierte Stalin den Premierminister.
    Ohne ein Wort zu sagen oder die dargebotene Hand zu schütteln, ging er langsam an Churchill vorbei in Richtung Speiseraum.
    »Das hat ihn irritiert.« Und Churchill lachte.
    »Bin ich deshalb hier, Sir?«
    »Ich sagte es bereits, junger Mann. Sie sind hier,

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