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Der Pakt

Der Pakt

Titel: Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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sind. Und die Wahrheit ist, ich bin ein britischer Spion.«
    »Nein, sind Sie nicht. Sie sind im selben Metier wie wir.«
    »Sei still, Karl«, sagte der mit dem Blumenkohlohr.
    »Ach, und welches Metier wäre das?«
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    »Das wissen Sie doch.«
    »Sei still, Karl. Siehst du denn nicht, was er vorhat?«
    »Ich bin Ihr Feind, Karl. Und ich werde Sie töten.«
    »Das können Sie nicht.«
    »Oh, doch, ich kann.«
    »Sie können es nicht, weil Sie vom Reichssicherheitshauptamt sind, genau wie wir, darum.«
    Schellenberg lächelte. »Na bitte, das war doch gar nicht so schwer. Da Sie jetzt zugegeben haben, dass Sie wissen, wer ich bin, werden Sie wohl verstehen, dass ich gerne wissen möchte, warum Sie mich, einen hohen SD-Offizier, observieren.«
    »Schlechtes Gewissen, was?«, sagte der mit dem Blumenkohlohr.
    »Ich will Ihnen was sagen, Karl. Ich zähle jetzt bis drei, und wenn Sie mir bis dahin nicht gesagt haben, was das alles soll, erschieße ich Sie alle beide. Auf der Stelle. Eins.«
    »Sag’s ihm, Jürgen.«
    »Er erschießt uns nicht, Karl.«
    »Zwei.«
    »Halt den Mund, Karl. Er tut’s nicht. Er blufft nur.«
    »Drei.«
    Schellenberg zog den Abzug durch, und eine Stakkato-Salve zerriss die Waldesstille. Die MP40 galt auf bis zu hundert Meter als effiziente Waffe, auf unter zehn Meter jedoch war sie mehr als tödlich, und sein Ziel – der offenbar etwas härtere Bursche mit dem Blumenkohlohr – war kaum zu verfehlen. Unter der Wucht der 9-mm-Parabellum-Geschosse, die ihm in Gesicht und Rumpf schlugen, ruckte und zuckte sein ganzer Körper. Seinem blutenden Mund entfuhren kurze, tierische Laute. Er kippte um, zuckte noch ein, zwei Sekunden, dann war Ruhe.
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    Als der andere Gestapo-Mann begriff, dass er noch am Leben war, fing er an, sich hektisch zu bekreuzigen und das Ave Maria zu murmeln.
    »Du redest jetzt besser mit mir, Karl«, sagte Schellenberg und fasste den Kunststoffgriff der MP40 fester. »Oder soll ich wieder bis drei zählen?«
    »Es war ein direkter Befehl vom Chef.«
    »Müller?«
    Karl nickte. »Er will wissen, wie weit die Sache mit Himmlers Friedensverhandlungen geht. Ob es nur Dr. Kersten ist, oder ob Sie da auch mit drin stecken.«
    »Verstehe«, sagte Schellenberg.
    Jetzt war ihm schon einiges klarer. Im August 42 hatte es zwischen ihm, Himmler und Himmlers Chiropraktiker, Dr. Kersten, ein Gespräch darüber gegeben, wie eventuell ein Frieden mit den Alliierten ausgehandelt werden könnte. Wegen des – letztlich gescheiterten – Versuchs, Ribbentrop, der als Hindernis für eine diplomatische Friedensinitiative galt, als Reichsaußenminister abzusägen, war die Sache erst einmal auf Eis gelegt worden. Von irgendwelchen Friedensverhandlungen wusste Schellenberg nichts. »Soll das heißen, dass momentan Friedensverhandlungen laufen?«
    »Ja. Dr.
    Kersten ist in Stockholm und redet mit den Amerikanern.«
    »Wird er auch überwacht?«
    »Wahrscheinlich. Ich weiß es nicht.«
    »Und Himmler?«
    »Wir hatten Befehl, Sie zu überwachen. Mehr weiß ich leider nicht.«
    »Woher bezieht Müller diese Informationen?«
    »Ich weiß nicht.«
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    »Stellen Sie mal eine Vermutung an.«
    »In der Prinz-Albrecht-Straße geht das Gerücht, dass es jemanden in Himmlers engster Umgebung im Innenministerium gibt, der uns dies und jenes zukommen lässt. Aber den Namen weiß ich nicht. Wirklich nicht.«
    Schellenberg nickte. »Ich glaube Ihnen.«
    »Gott sei Dank.«
    Schellenbergs Gehirn arbeitete fieberhaft. Natürlich würde der Mord an dem Gestapo-Mann untersucht werden. Müller würde die Gelegenheit, ihm und vor allem Himmler an den Karren zu fahren, freudig beim Schopf ergreifen. Es sei denn …
    »Haben Sie ein Funkgerät im Wagen?«
    »Ja.«
    »Haben Sie Ihre aktuelle Position durchgegeben?«
    »Wir haben nichts mehr gemeldet, seit wir vor dem Ka-De-We gehalten haben.«
    Das war die Rettung. Sie konnten ihm nichts. Allerdings nur, wenn er bereit war, entschlossen zu handeln, auf der Stelle und ohne Zögern.
    Noch während ihm die Logik dieses Schlusses entgegensprang, betätigte Schellenberg den Abzug. Und noch während er den zweiten Gestapo-Mann kaltblütig niedermähte, dachte er, dass sich jetzt endlich die Frage beantwortete, die ihn im Kreis seiner morderfahreneren Kollegen so oft beschäftigt hatte. Zwei Tote lagen jetzt vor ihm am Boden. Zwei Morde konnten zwar mit Sandbergers 65000 oder Janssens 33000 nicht mithalten, aber es ließ sich nicht leugnen, dass der zweite Mord schon viel

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