Der Pakt
Reader’s Digest. Die Sorte Mann, die Ihr Laden jederzeit verleugnen könnte. Sie wissen ja sicher, was ich meine. Jedenfalls hat sich dieser Morde erst vor zwei Tagen mit 118
von Papen getroffen. Wir haben keine Ahnung, was da geredet wurde. Leider treibt es Hélène nicht mit ihm. Aber andere Quellen wollen wissen, dass Morde anschließend Earle irgendein Schreiben von Herrn von Papen an Roosevelt übergab.
Und das ist im Moment alles, was wir wissen.«
Während Philbys Ausführungen spürte ich, wie sich meine Kiefer verkrampften. Was Blunt über Wassili Zubilin gesagt hatte, war schon überraschend genug gewesen, aber das hier war noch viel beunruhigender. Die scheinbare Lässigkeit, mit der Philby seine Bombe platzen ließ – so typisch englisch –, machte es noch schlimmer.
»Und sind Sie direkt zur sowjetischen Botschaft marschiert und haben einen Brief durch den Briefschlitz geschoben? Wie Sie eben sagten?«
»Noch nicht«, sagte Philby. »Aber vielleicht tu ich’s noch.«
»Was hat Sie davon abgehalten?«
»Sie, wenn Sie’s genau wissen wollen.«
»Ich?«
»Dass Sie einfach so in meinem Büro aufgekreuzt sind, aus heiteren Himmel, nach all den Jahren. Und nicht nur das, sondern dass Sie sich auch noch als Sonderbeauftragter von Roosevelt entpuppt haben, genau wie der alte Hefty. Da habe ich mir gesagt, tu nichts Überstürztes, Kim. Vielleicht kann dir der alte Willard ja helfen, die Story, wenn es denn eine gibt, ein bisschen auszubauen. Ihr Stand zu verleihen, wie wir Journalisten sagen.«
Meine anfängliche instinktive Vorsicht war in Verblüffung umgeschlagen. Wenn Philby Recht hatte und Roosevelt tatsächlich über einen Separatfrieden verhandelte, was sollte dann das Treffen der Großen Drei?
»Wie?«
119
»Oh, keine Ahnung. Indem Sie auf dem Campus und im Weißen Haus die Ohren offen halten, so in der Art. Einfach nur ein bisschen beobachten.«
»Mal angenommen, ich kriege etwas mit. Was dann?«
»Da ist ein Freund von mir in der britischen Botschaft in Washington. Ein alter Linker wie Sie und ich, Childs mit Namen. Stephen Childs. Ein guter, verlässlicher Mann, der aber auch zu der Ansicht neigt, dass die Russen den Kürzeren gezogen haben. Wenn Sie irgendwas Verdächtiges hören würden, könnten Sie ihn anrufen. Ein Gläschen mit ihm trinken.
Drüber reden. Mit ihm gemeinsam entscheiden, was daraus folgt, und ganz einfach tun, was immer Ihr Gewissen Ihnen gebietet. Ich für mein Teil …« Philby zuckte die Achseln. »Ich werde wohl schauen müssen, was über unsere Agenten in Ankara noch herauszubekommen ist. Aber ich bin da, offen gestanden, nicht sehr optimistisch, und wir müssen wohl abwarten, wo Ihr Mr. Morde als Nächstes auftaucht.«
»Ich verspreche gar nichts«, sagte ich. »Aber ich werde sehen, was ich tun kann. Ich will seine Blicke beachten, will ihn bis ins Leben prüfen; stutzt er, so weiß ich meinen Weg.«
Philby sah mich perplex an.
» Hamlet « , erklärte ich. »Was haben Sie eigentlich gelesen, als Sie in Cambridge waren?«
Philby grinste. »Marx und Engels natürlich.«
120
MONTAG, 8. OKTOBER 1943
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BERLIN
»DAS KLINGT, ALS HÄTTEN SIE den Pimpf gelesen«, raunzte Himmler Schellenberg an. Der Pimpf war die Monatszeitschrift des Jungvolks, der zehn- bis vierzehnjährigen Jungen in der Hitlerjugend. Er enthielt eine Mischung aus Abenteuergeschichten und Propaganda. »Die Großen Drei umbringen? Sind Sie verrückt? Es erstaunt mich wirklich, Schellenberg, dass ein Mann von Ihrer offenkundigen Intelligenz mit einem so schwachsinnigen Plan bei mir auftritt.
Was hat Sie nur auf die Idee gebracht?«
»Sie, Herr Reichsführer.«
»Ich?«
»Ihre Posener Rede. Sie hat mich beeindruckt. Sie sagten doch, dass es der Glaube ist, der den Sieg schafft, und dass Sie keine Pessimisten in unseren Reihen wollen und keine Leute, die den Glauben ans Vaterland verloren haben. Ich dachte mir, wenn Skorzeny so etwas wie die Mussolini-Befreiung fertig bringt, dann ließe sich vielleicht auch etwas noch Gewagteres schaffen.«
»Pessimismus ist eines, Schellenberg, blinder Optimismus etwas anderes. Und Realismus wieder etwas anderes. Von einem Mann mit Ihren Fähigkeiten erwarte ich Realismus. Wie wir beide wissen, wurde Skorzenys Unternehmen auf Befehl des Führers durchgeführt. Es war eine absurde Idee und hat keinerlei praktischen Nutzen gebracht. Haben Sie mich in Posen den Namen Skorzeny auch nur einmal erwähnen hören?
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