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Der Paladin

Der Paladin

Titel: Der Paladin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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und auf seinem Berg sterben würde, das Gras über sein Gebein wachsen und niemand davon wissen würde...
    Verdammt, er hatte sich eine Nacht und einen Tag lang mit dieser Störung seines Lebens beschäftigt. Das war bereits zuviel.
    Früher einmal hatte er viele Tage zur Verfügung gehabt, bevor die Tage wie einer und alle Tage geworden waren. Das begriff er jetzt, und er staunte darüber, daß er keine Geduld erworben, daß er seine Anpassungsfähigkeit nahezu eingebüßt hatte. Er konnte eine Ameise dabei beobachten, wie sie über die Veranda kroch, ohne das Gefühl zu haben, seine Zeit zu vergeuden. Aber mit einer Veränderung in seinem normalen Tagesablauf vermochte er sich nicht abzufinden. Als wäre er ein alter Mann. Ein alter Mann, ein Einsiedler, ein verrückter, einsamer alter Mann von fast vierzig.
    Der Gedanke schlug ihm auf den Magen.
     
    Er verbrachte die Nacht wiederum im Stall.
    Wie ein Verrückter.
    Er frühstückte im Hütteneingang sitzend im ersten Licht einer nebligen feuchten Morgendämmerung und überlegte, ob er in den Wald hineinrufen sollte: Komm her, unterhalten wir uns!
    Der Vorsatz blieb ihm jedoch im Hals stecken.
    Ebenso wie die beiden Tage mit Reis, ohne Fisch, ohne Kaninchen.
    Er hatte nur sehr wenig Räucherfleisch und kein eingemachtes Obst: das kam im Herbst, und er bewahrte es für magere Zeiten auf, für die Wintermonate. Im Sommer verließ er sich auf die Natur und seinen Garten.
    Aber wenn es noch lange so weiterging...
    Seine Geduld war vollkommen sinnlos. Er mußte das Mädchen aufspüren, an Händen und Füßen fesseln und nach Muigan tragen.
    Sollten sich die Nonnen um Taizu kümmern.
    Wenn sie sich am Waldrand aufgehalten hatte, mußte sie unweigerlich Spuren hinterlassen haben; und wenn er erst einmal anfing, sie zu jagen, würde sie in Panik geraten und Fehler machen.
    Wenn sie überhaupt noch dort draußen war.
    Wenn sie dort draußen war, hatte sie eine schlimmere Nacht verbracht als er, das war sicher. Sogar im Spätsommer konnte es nachts kalt werden; und wenn sich der Tau setzte, so wie jetzt, da der Regen gerade nach Norden gezogen war, dann bedeutete das feuchte Decken und noch feuchtere Kleider: von den Ästen tropfte einem Wasser in den Hals, und nach wenigen Schritten waren Ärmel, Hosenbeine und Schuhe durchnäßt.
    Gut. Er hoffte, daß es noch ein paar Tage so bliebe, solange der Nebel nicht schlimmer wurde – ein leichter Dunst, der es ihm erlaubte, bis zum Rand der Lichtung zu blicken. Das war für ihn günstiger als für sie.
    Solange es nicht schlimmer wurde.
    Er nahm die Reisschüssel, reckte die Schultern unter dem Gewicht des Kettenhemds, kehrte zur Veranda zurück und ging ums Haus herum, um rasch ein paar Scheite Holz vom Stapel zu nehmen.
    Mehr als nur ein paar, dachte er. Je mehr Holz er auf einmal zu tragen vermochte, desto weniger häufig brauchte er dies zu tun und die Vorderseite dabei aus den Augen zu lassen. Er sammelte rasch einen Armvoll auf, bog um die Hausecke und trat auf die Veranda.
    Er vernahm das unverkennbare Zischen eines Pfeils, der auf Hüfthöhe an ihm vorbeiflog.
    Er ließ das Holz fallen, hechtete zum Eingang, wälzte sich hinein und griff nach Bogen und Köcher, die er zuvor an den Türrahmen gelehnt hatte.
    »Verdammt!« schrie er in den finsteren Wald hinein. »Du legst es wirklich darauf an, Mädchen! Es reicht. Hör mir zu! Ich will dir nicht weh tun. Ich hatte Geduld mit dir, die Götter sind meine Zeugen. Ich habe dir eine Aussteuer angeboten. Ich habe dir mein ganzes Gold angeboten, weil ich nicht will, daß du zu Schaden kommst. Ich glaube, das verdient ein wenig Anerkennung, meinst du nicht?«
    Stille.
    »Sieh mal, Mädchen, ich werde dich zu nichts zwingen. Wenn du nach Muigan willst, ist das deine Entscheidung. Wenn du im Dorf bleiben willst, ist das ebenfalls deine Entscheidung. Du kannst nach Hua zurückkehren. Geh, wohin du willst. Ich verspreche dir, daß ich dir kein Haar krümmen werde. Komm einfach her und sprich mit mir wie ein zivilisierter Mensch, und hör endlich mit diesem Unsinn auf!«
    Stille.
    »Verdammt noch mal, du willst Ärger, Mädchen! Ich werde mich nicht zur Zielscheibe einer Verrückten machen.«
    Abermals Stille.
    Hätte ich das letzte zu einer Verrückten wirklich sagen sollen? dachte er.
     
    Er hatte eine recht klare Vorstellung davon, wo sie gewesen war, als sie geschossen hatte, und als er den Pfeil fand, wurde es noch klarer: auf einem dreifach gespaltenen Baum in einem kleinen

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