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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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jungenhaften Gesicht spiegelte sich Besorgnis.
    Aus einem der Kasernengebäude, die den Hof der Villa umschlossen, kamen zwei von Sanos Ermittlern. Beide waren Samurai, treue Gefolgsleute Sanos und erfahrene Kämpfer. Sie führten mehrere Pferde an der Leine, die mit prall gefüllten Satteltaschen bepackt waren. Sano hatte den beiden Männern befohlen, Reiko und Midori zu begleiten und zu beschützen. Es wäre Sano lieber gewesen, er selbst und Hirata hätten diese Aufgabe übernehmen können, doch wegen des Shōgun konnten sie unmöglich aus Edo fort.
    »Passt gut auf sie auf«, sagte Sano zu den beiden Ermittlern.
    »Jawohl, sōsakan-sama. « Die Männer verneigten sich.
    Reiko sagte: »Fürstin Keisho-in, Fürstin Yanagisawa und unser Gefolge warten bestimmt schon vor dem Tor des Palasts auf uns. Wir sollten uns auf den Weg machen.«
    Sano hob Masahiro hoch, sodass er seine Mutter noch einmal umarmen konnte. Letzte Abschiedsworte wurden gewechselt. Dann stiegen Reiko und Midori widerwillig in die Sänften. Die Träger hoben sie an, während Diener sich das Gepäck aufluden. Sano, von Trennungsschmerz geplagt, drückte sich Masahiro an die Brust. Als der Pilgerzug sich durchs Tor bewegte, steckte Reiko den Kopf aus dem Fenster der Sänfte und warf Sano und ihrem Sohn einen letzten sehnsüchtigen Blick zu.
    »Komm bald wieder, Mama«, rief Masahiro.

2.
    D
    ie Tōkaidō, Japans große Fernstraße, zog sich von Edo nach Westen in Richtung der alten kaiserlichen Hauptstadt Miyako. Dreiundfünfzig Dörfer waren über die gesamte Länge der Straße verteilt. In diesen Dörfern hatte das Tokugawa-Regime Kontrollstationen eingerichtet; außerdem gab es hier Läden und Unterkünfte für die Reisenden. Westlich von Odawara, der zehnten Kontrollstation, führte die Fernstraße über die Halbinsel Izu; dann stieg das Gelände zu einer gebirgigen Gegend an, die vom riesigen Vulkankegel des Fudschijama beherrscht wurde. Hier wurde die Tōkaidō steiler und beschwerlicher; in engen Kehren führte sie durch Laub- und Nadelwälder.
    Über diesen Straßenabschnitt bewegte sich nun eine Prozession mehrerer hundert Menschen. Zwei Späher – erfahrene Samurai – führten die Begleittruppen, die aus Fuß- und Reitersoldaten bestanden. Bannerträger, auf deren Flaggen das Wappen der Tokugawa prangte, das dreifache Malvenblatt, ritten den zehn Sänften voraus, denen wiederum eine Schar von Dienern folgte. Die Nachhut des Zuges schließlich führten die Gepäckträger an, denen weitere Reiter- und Fußsoldaten folgten. Die gleichmäßigen Marschtritte der Männer und das Klappern der Pferdehufe klangen von den Felswänden und Gipfeln wider, die in dichte graue Wolken gehüllt waren.
    In der vorderen Sänfte saßen Reiko und Fürstin Keisho-in einander gegenüber und sahen durchs Fenster. Hin und wieder wurden sie von Gruppen berittener Samurai überholt, während Pilger und andere Reisende sie aus der Gegenrichtung passierten. Es war ein kühler Nachmittag. Nebel bildete sich in der feuchten Luft, und aus der Ferne waren das Rauschen von Wasser und der Gesang der Vögel in den Wäldern zu hören.
    »Jetzt sind wir schon vier Tage unterwegs und dem Fuji -san kaum näher gekommen«, stieß Keisho-in mürrisch hervor.
    Reiko verkniff sich die Bemerkung, dass die Fürstin selbst an dem langsamen Vorankommen schuld war: Keisho-in hatte viele Stunden damit verbracht, in den Läden an den Kontrollstationen teure Andenken und Delikatessen aus der Gegend zu kaufen. Und immer wieder hatte sie Befehl erteilt, Halt zu machen, um sich von Reisegruppen huldigen zu lassen. Ohnehin zog sie ein eher gemächliches Tempo vor. Deshalb hätten die Frauen die bisher zurückgelegte Strecke in der Hälfte der Zeit schaffen können; ein schneller Reiter hätte sie sogar an einem Tag zurückgelegt.
    Schon jetzt zehrte die Reise an Reikos Nerven und an ihrer Kraft. Da Keisho-in in den Gasthäusern, in denen sie übernachteten, jeden Abend lautstarke Feiern veranstaltete, bei denen viel getrunken wurde, hatten alle zu wenig Schlaf bekommen. Außerdem musste Reiko die Schlafgemächer notgedrungen mit Fürstin Yanagisawa teilen, die auf ihrer Gesellschaft bestand, sodass Reiko es in den Nächten kaum gewagt hatte, die Augen zu schließen.
    Nun war sie todmüde, konnte in der schwankenden Sänfte aber nicht einmal dösen, weil eine der Frauen stets ihre Gesellschaft suchte: Die schwatzhafte Keisho-in wollte nicht mit der schwangeren Midori in einer Sänfte reisen,

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