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Der Papalagi

Der Papalagi

Titel: Der Papalagi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Scheuermann
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zu den Sternen, und seine Füße überholen Wind und Wellen. Sein Ohr hört jedes Flüstern in Savaii, und seine Stimme hat Flügel wie ein Vogel. Sein Auge ist sehend zur Nacht. Er sieht durch dich selber hindurch, als sei dein Fleisch klar wie Wasser, und er sieht jeden Unrat auf dem Grund dieses Wassers.
    Dies alles, wovon ich Zeuge war und was ich euch verkünde, ist nur ein kleiner Teil von dem, was mein Auge mit Bewunderung sehen durfte. Und glaubt mir, der Ehrgeiz des Weißen ist groß, immer neue und stärkere Wunder zu vollbringen, und Tausende sitzen eifrig in den Nächten und sinnen, wie sie Gott einen Sieg abringen können. Denn das ist es: der Papalagi strebt zu Gott. Er möchte den großen Geist zerschlagen und seine Kräfte selber an sich nehmen. Aber noch ist Gott größer und mächtiger als der größte Papalagi und seine Maschine, und noch immer bestimmter, wer von uns und wann wir sterben sollen. Noch dient die Sonne, das Wasser und Feuer in erster Linie ihm. Und noch hat kein Weißer je den Aufgang des Mondes und die Richtung der Winde nach seinem Willen bestimmt.
    Solange dies ist, bedeuten jene Wunder nur wenig. Und schwach ist der unter uns, liebe Brüder, der diesen Wundern des Papalagi unterliegt, der den Weißen anbetet um seiner Werke willen und sich selbst als arm und unwürdig erklärt, weil seine Hand und sein Geist nicht ein Gleiches vermögen. Denn so sehr alle Wunder und Fertigkeiten des Papalagi unsere Augen staunend machen können – im klarsten Sonnenlichte betrachtet, bedeuten sie wenig mehr als das Schnitzen einer Keule und das Flechten einer Matte, und alles Tun gleicht nur dem Spielen eines Kindes im Sande. Denn es gibt nichts, das der Weiße gemacht hat und nur im entferntesten den Wundern des großen Geistes gleichkäme.
    Herrlich und gewaltig und geschmückt sind die Hütten der hohen Alii, die man Paläste nennt und schöner noch die hohen Hütten, die Gott zu Ehren errichtet wurden, die oft höher sind als der Gipfel des Tofua 1 . Trotzdem – grob und roh und ohne das warme Blut des Lebens ist dies alles gegen einen jeden Hibiskusstrauch mit seinen feuerbrandigen Blüten, gegen jeden Wipfel einer Palme oder den farben- und formentrunkenen Wald der Korallen. Nie noch spann der Papalagi ein Lendentuch so fein, wie Gott in jeder Spinne spinnt, und nicht eine Maschine ist so fein und kunstvoll, wie die kleine Sandameise, die in unserer Hütte lebt.
    Der Weiße fliegt zu den Wolken wie ein Vogel, sagte ich euch. Aber die große Seemöve fliegt doch höher und schneller als der Mensch und bei allen Stürmen, und die Flügel kommen aus ihrem Leibe, während die Flügel des Papalagi nur eine Täuschung sind und leicht brechen und abfallen können.
    So haben alle seine Wunder doch eine heimliche unvollkommene Stelle, und es gibt keine Maschine, die nicht ihren Wächter braucht und ihren Antreiber. Und jede birgt in sich einen heimlichen Fluch. Denn wenn auch die starke Hand der Maschine alles macht, sie frißt bei ihrer Arbeit auch die Liebe mit, die ein jedes Ding in sich birgt, das unsere eigenen Hände bereiteten. Was gälte mir ein Canoe und eine
    1
    Ein hoher Berg auf Upolu
    Keule von der Maschine geschnitzt, einem blutlosen, kalten Wesen, das nicht von seiner Arbeit sprechen kann, nicht lächeln, wenn sie vollendet und sie nicht der Mutter und dem Vater bringen kann, damit auch sie sich freuen. Wie soll ich meine Tanoa lieb haben, wie ich sie lieb habe, wenn eine Maschine sie mir jeden Augenblick wieder machen könnte ohne mein Zutun? – Dies ist der große Fluch der Maschine, daß der Papalagi nichts mehr lieb hat, weil sie ihm alles alsogleich wiedermachen kann. Er muß sie von seinem eignen Herzen speisen, um ihre liebeleeren Wunder zu empfangen.
    Der große Geist will selber die Kräfte des Himmels und der Erde bestimmen und sie nach seinem Ermessen verteilen. Dies steht niemals den Menschen zu. Nicht ungestraft versucht der Weiße, sich selber zum Fisch und Vogel, zum Roß und Wurm zu machen. Und viel kleiner ist sein Gewinn, als er sich selber zu gestehen wagt. Wenn ich durch ein Dorf reite, komme ich wohl schnell von der Stelle, aber wenn ich wandere, sehe ich mehr und die Freunde rufen mich in ihre Hütten. Schnell an ein Ziel kommen ist selten ein rechter Gewinn. Der Papalagi will immer schnell ans Ziel. Die meisten seiner Maschinen dienen alleine dem Zwecke, schnell an ein Ziel zu kommen. Ist er am Ziel, so ruft ihn ein neues. So jagt der Papalagi durch sein

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