Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)
ihrem Hintern, wenn sie ihr nachsahen. Sie hatte sich absichtlich unauffällig gekleidet, aber das machte keinen Unterschied. Zum Teil lag es an ihren blonden Haaren und ihrem guten Aussehen, doch auch an der fremden Kultur – man hatte den Eindruck, dass für diese Männer Frauen einfach nicht in eine Shisha-Bar gehörten und dass jede Frau, die das nicht begriff, es verdiente, angestarrt zu werden und wahrscheinlich noch viel Schlimmeres.
Der Frauenbereich lag ganz am Ende der einen Hälfte des Cafés, ein intimer Raum mit rot und golden gepolsterten Bänken, Holztischen und -stühlen, sanft erleuchtet von einem Lichtschienensystem und Kerzen. In architektonischer Hinsicht handelte es sich tatsächlich um eine Terrasse, und obwohl Delilah sah, dass sie bei kälterem Wetter eher wie ein Innenraum wirken würde, waren heute die Heizstrahler ausgeschaltet und die Fenster zum Gehsteig und der Nachtluft hin geöffnet. Man hatte den Eindruck einer geschützten Enklave, die Verbindung zur Außenwelt besaß und doch in sicherer Entfernung davon lag. Hier saßen etwa ein Dutzend Frauen anscheinend nordafrikanischer, arabischer und pakistanischer Abstammung. Fatima war nicht dabei. Einige warfen Delilah unverhohlen neugierige Blicke zu, doch nicht mit dieser aufdringlichen, besitzergreifenden Feindseligkeit, die sie bei den Männern gesehen hatte. Sie sagte der Hostess, dass sie gern warten würde, und bat um den Ecktisch am hinteren Ende des Raums, der noch frei war.
Eine Serviererin brachte ihr wohlschmeckenden süßen Tee, und sie ließ sich einhüllen von der Musik, dem Duft des Shisha-Rauchs und dem Gemurmel der Gespräche auf Arabisch, Urdu und Englisch. Sie merkte, dass es ihr eher so vorkam, als würde sie auf eine Freundin warten statt auf eine Zielperson, und dieses Gefühl kam ihr realer vor als die Wirklichkeit. Das war eigenartig, aber auch gut. Je echter die Emotion war, desto wahrscheinlicher war es, dass sie Vertrauen erweckte, und damit stiegen ihre Erfolgschancen.
Fatima tauchte nach zwanzig Minuten auf, in einem eleganten schulterfreien schwarzen Kleid mit fuchsiafarbenem Kreppschal. Sie ließ den Blick durch den Raum gleiten und erblickte Delilah sofort. Ihr Gesicht leuchtete auf, und sie lächelte, als sie auf sie zukam. Ihr Kleid zeigte eine Menge Bein, und der Schal konnte ebenso gut ein Zugeständnis an die hiesigen Vorstellungen von weiblicher Sittsamkeit sein – und die implizite Drohung, sie durchzusetzen – wie eine Maßnahme gegen die nächtliche Kühle. Ihre Haare schimmerten im sanften Licht, und Delilah erkannte, dass sie sie geglättet hatte. Sie trug ein wenig mehr Eyeliner als tags zuvor und hatte auch etwas Lippenstift aufgelegt. Delilah spürte, dass ihre neue Freundin heute Abend an ihrem Aussehen gearbeitet hatte. Das Ergebnis war zweifellos umwerfend, aber was hatte es zu bedeuten? Hatte sie sich Delilah zuliebe bemüht? Für einen Mann? Beides? Delilah stellte fest, dass sie hoffte, es sei ihretwegen, und das war ein merkwürdiges Gefühl. Wenn Fatima etwas daran lag, welchen Eindruck Delilah von ihr hatte, war das natürlich von Vorteil, denn es konnte bedeuten, dass sie bereit war, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Und ohne das wäre diese Operation, die ohnehin nur ein Schuss ins Blaue war, eine Totgeburt gewesen.
Delilah stand auf, als Fatima den Tisch erreichte. »Tut mir leid, ich komme zu spät«, sagte Fatima, nahm sie an den Schultern und küsste sie auf die Wangen. »Konnte kein Taxi finden.«
Nein , dachte Delilah. Es war eine modische Krise. Du hast verschiedene Kleider ausprobiert und konntest dich nicht entscheiden, welches am besten aussieht . Der Gedanke war seltsam befriedigend.
»Kein Problem«, erwiderte Delilah. »Ich bin noch nicht lange da und genieße die Atmosphäre.«
Sie setzten sich. Die Serviererin brachte noch einen Tee, und sie bestellten Mezze – kleine Gerichte wie Baba Ghanoush und Mekanek und Souflaki. Während des Essens plauderten sie über dies und das. Fatima sagte Delilah, wie sehr ihr die Fotos von der Demonstration gefallen hätten. Delilah meinte, wenn sie die Speicherkarte kopierte, ihre Lieblingsbilder markierte und sie Delilah wiedergab, würde sie versuchen, sie in ihrem Artikel zu verwenden.
Irgendwann, beim Kaffee und einem Nachtisch aus Baklava und Sahlab, fragte Fatima: »Was glaubst du, wie lange du noch in London bleibst?«
Delilah hatte sich bereits eine Antwort zurechtgelegt. Zu lang klang merkwürdig. Zu kurz, und
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