Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)
offensichtliche Techniken aufdecken zu können. Stattdessen musste sie ihre Gegenmaßnahmen als normales Alltagsverhalten tarnen, damit ein gegnerisches Team nicht durch bloße Beobachtung erkannte, dass sie etwas anderes war als ausgebildete Modefotografin. Allerdings musste sie diesmal bereits umsichtiger vorgehen als bei ihrer Ankunft. Sie hatte Kontakt hergestellt und würde eine Menge Zeit mit Fatima verbringen, wenn alles gut lief. Und je mehr Zeit sie mit ihr zusammen war, desto interessierter würden Fatimas Spießgesellen sein, und desto genauer würden sie ihre neue Bekanntschaft unter die Lupe nehmen wollen.
Sie betrat die St. Martin‹s Lane von Süden aus. Wenn jemand sie beschatten wollte, konnte er sich natürlich für das Nächstliegende entschieden haben, nämlich einfach Fatima im Auge zu behalten, bis Delilah auftauchte. Sollte das der Fall gewesen sein, würde sie es bald wissen.
St Martin’s war eine ruhige, schmale Straße, anscheinend hauptsächlich bekannt für ihre Antiquitätenläden und Secondhand-Buchhandlungen und, wie Fatima gesagt hatte, für das Coliseum Theater. Notes war ein bescheidenes Lokal, dessen Name mit Schablone in großen Lettern auf die Frontscheibe gemalt stand, und lag nur ein kleines Stück die Straße entlang auf der rechten Seite. Sie trat ein und gelangte in einen langen, hohen, rechteckigen Raum mit Holzboden, hell ausgeleuchtet durch ein Oberlicht in der Decke. Eine angenehme Geräuschkulisse aus Gesprächen, Gelächter und Jazzmusik aus unsichtbaren Lautsprechern empfing sie, akzentuiert durch das mechanische Summen von Kaffeemühlen, das Klack-klack von Espressofiltern, die manuell herausgenommen und geleert wurden, das Zischen und Blubbern von heißem Dampf, der durch Milchkännchen strömte. Die Luft war gesättigt vom herrlichen Duft nach frischem Kaffee.
Sie überblickte den Raum und sah keine offensichtlichen Probleme, nur eine Ansammlung von Männern und Frauen verschiedener Altersgruppen, Typen und Ethnien. Sie ging weiter, vorbei an einem riesigen Plakat von Miles Davis. Rechts von ihr säumten Tische die Wand, links erstreckte sich über die halbe Länge des Raums eine Holztheke, bemannt von drei Baristas und beherrscht von einer gewaltigen schimmernden Strada-Espressomaschine. Der Hintergrund war offener und enthielt lange Tische und Bänke, während die Wände mit hohen DVD- und CD-Regalen gesäumt waren.
Fatima saß ganz hinten an der Ecke eines dieser Tische, das Gesicht dem vorderen Teil des Cafés zugewandt. Ein taktischer Blick auf den Eingang oder eine höfliche Art, es Delilah leichter zu machen, sie zu finden? Vielleicht beides. Ein geöffneter Laptop stand vor ihr – ein MacBook Air. Gut. Sie trug ein schwarzes Button-down-Hemd und hatte sich die Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie hatte nur einen Hauch von Make-up aufgelegt – Eyeliner, eine Spur Grundierung – und erzeugte damit einen Eindruck von müheloser Schönheit.
Sie sah auf. Als sie Delilah erkannte, lächelte sie, schloss den Laptop und erhob sich. »Hallo, Delilah. Danke fürs Kommen.«
Delilah gab ihr die Hand und registrierte, wie rasch sie den Laptop zugeklappt hatte. »Keine Ursache. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ihr Büro gefällt mir.«
Fatima lachte. »Die Miete ist billig und der Kaffee erstklassig. Was möchten Sie trinken?«
Delilah warf einen Blick auf Fatimas leere Tasse. »Was hatten Sie denn?«
»Red-Brick-Espresso.«
»Sieht nach einem Doppelten aus.«
»Ja.«
Delilah stellte ihre Kameratasche auf den Tisch. »Passen Sie auf meine Kamera auf, während ich uns etwas hole?«
Am Ende redeten sie stundenlang miteinander. Statt ein Aufnahmegerät zu verwenden, von dem sie fürchtete, es würde Fatima befangen machen, machte Delilah sich Notizen. Aber gelegentlich wurde das Gespräch so intensiv und vertraut, dass sie ihre Rolle als Journalistin vergaß. Was natürlich in Ordnung war, denn sie versuchte ja gerade, eine Beziehung herzustellen, die darüber hinausging.
»Natürlich habe ich das von Ihren Brüdern gelesen«, sagte sie irgendwann. »Es tut mir leid.«
»Es war schlimm. Haben Sie schon einmal einen Angehörigen verloren?«
»Auf diese Art? Nein. Das haben sicher nicht viele. Aber mein älterer Bruder starb, als ich sechzehn war.«
»Das tut mir sehr leid. Darf ich fragen, was passiert ist?«
»Ein Autounfall«, sagte Delilah. Tatsächlich war ihr Bruder im Libanon im Kampf gefallen, aber wie jeder andere Aspekt
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