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Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)

Titel: Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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wischte sich übers Gesicht und schickte ihn weg. Sie holte tief Luft, riss sich zusammen, stand auf und verließ das Café.
    Auf unsicheren Beinen schritt sie die Rue de Rivoli entlang. Es war warm und sonnig. Autos und Radfahrer und Lieferwagen fuhren vorbei. Passanten kamen ihr entgegen, unterhielten sich, lachten, genossen den Tag.
    Sie ging weiter und dachte nach, während ihr Zorn wuchs und zu glühen begann.
    Sie musste das nicht einfach hinnehmen. Sie kannte Leute, die ihr helfen konnten, inoffiziell natürlich. Kent verstand nicht halbwegs genug von seinem Handwerk, dass er unangreifbar gewesen wäre. Und selbst wenn, ein Anruf von ihr genügte, und er würde angelaufen kommen, zu einem genau definierten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt.
    Und dann würde sie herausfinden, was wirklich geschehen war. Und etwas unternehmen.
    Sie dachte: Werd nicht zu dem, was du hasst .
    Sie blieb stehen und musste plötzlich wieder weinen. Was konnte sie tun, um Fatima zu rächen? Wenn es wirklich das war, was sie wollte, dann nahm sie sich vielleicht besser selbst das Leben. Wäre sie niemals nach London gegangen, wäre sie schon vor langer Zeit aus diesem furchtbaren Geschäft ausgestiegen, wie John immer wieder drängte, dann wäre Fatima noch am Leben, unverletzt, ihr trauriges Lächeln strahlend und intakt.
    Noch nie hatte sie so dringend mit John reden müssen. Aber sie konnte nicht. Er war fort.
    Neben einem Taxi sank sie schluchzend in die Knie.
    Sie rief sich die Anschläge ins Gedächtnis, die sie verhindert hatte, die Menschenleben, die sie gerettet hatte. Es half nichts. Diese Menschen waren eine Abstraktion, eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, Variablen. Real war nur Fatima und dass Delilah sie getötet hatte.
    Das würde sie niemals wieder gutmachen können. Es gab keine Rechtfertigung, keine Vergebung. Nur Reue.
    Sie weinte noch lange Zeit. Ein paar Leute blieben stehen und fragten sie, ob alles in Ordnung sei. Die meisten ignorierten sie.
    Irgendwann hatte sie keine Tränen mehr. Sie richtete sich auf und wanderte auf wackeligen Beinen durch Paris. Nach vielen Stunden kehrte sie in ihre Wohnung zurück. Sie ging früh zu Bett. Schlaf fand sie keinen.

    Am nächsten Morgen ging Delilah früh aus dem Haus. Sie hatte keinen Grund, kein besonderes Ziel, sie musste nur einfach ihrer Wohnung entkommen, ihren Gedanken.
    Als sie die schwere hölzerne Haustür öffnete, suchte sie aus einem durch Erfahrung geschärften Instinkt die Straße ab. Ein einzelner Mann, nur eine Silhouette vor den schrägen Strahlen der tief stehenden Morgensonne, kam auf sie zu. Sie brauchte einen Augenblick, um ihn unterzubringen – sie hatte ihn noch nie in Jeans und Hemdsärmeln gesehen. Es war Kent.
    Er hatte den Eingang zu ihrem Apartmenthaus bereits aufs Korn genommen und bemerkte sie sofort. Er winkte und hielt beide Hände so, dass sie sie deutlich sehen konnte.
    Sie warf einen schnellen Blick nach links und rechts. Sie glaubte nicht, dass sie sich in Gefahr befand. Wenn jemand in Gefahr war, dann er. Aber der Reflex ließ sich nicht abstellen.
    Sie wartete in der Tür, bis er ein paar Meter entfernt stehen blieb.
    »Hallo«, sagte er. »Ich entschuldige mich für den Überfall.«
    »Woher wussten Sie, wo Sie mich finden?«
    Er lächelte leise. »Um die Wahrheit zu sagen, meine handwerklichen Fähigkeiten sind nicht gar so schlecht. Jedenfalls, wenn mir etwas wichtig ist.«
    »Was wollen Sie?«
    »Ihnen sagen, dass es mir leidtut.«
    »Was?«
    »Delilah, wir waren es nicht.«
    »Nein? Warum haben Sie sie dann nicht beschützt?«
    »Niemand war an ihr interessiert. Aber ich habe sie dennoch angerufen. Ich sagte ihr, ich sei ein Freund von Ihnen und dass wir beide sie beschützen wollten. Sie hat einfach aufgelegt.«
    »Ich verstehe.«
    »Es tut mir wirklich sehr leid.«
    »Warum glauben Sie, dass mich das kümmert?«
    »Das mit Fatima? Oder dass es mir leidtut?«
    »Beides.«
    »Nun, die Antwort auf Ersteres ist das, was ich in Fatimas Wohnung gesehen habe.«
    Sie schwieg, und er setzte rasch hinzu: »Die Art, wie Sie sie geschützt haben, meine ich.«
    Immer noch sagte sie nichts.
    »Und das Zweite, nun, in dem Fall habe ich keinen besonderen Grund zu der Annahme, dass es Sie interessiert, so oder so. Es ist nur, dass … es würde mich belasten, wenn Sie denken, ich wäre zu etwas so Abstoßendem fähig, wie es Fatima angetan wurde.«
    »Sie hätten sie getötet.«
    »Ja. Ich fürchte, das ist Teil meines Jobs. Im Moment wünschte

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