Der Paradies-Trick (Kindle Single) (German Edition)
natürlichen Neugier anglotzten, die ein professionell aussehendes Fotoshooting bei den meisten Leuten auslöst. Aber es gab zwei Gruppen von Männern mit dunklen Stoppelbärten, die sie nicht einmal eines Seitenblicks würdigten. Ihr augenfälliges Desinteresse wirkte unter den gegebenen Umständen einstudiert, und Delilah hielt sie für Profis, obwohl ihr Talent offenbar nicht für die Oberliga reichte. Sie erinnerte sich daran, was Kent gesagt hatte. Wenn sie anfing, Zeit mit Fatima zu verbringen, würde sie unter Beobachtung stehen.
Wenn die etwas bemerken, das Ihnen missfällt, raten sie Fatima möglicherweise lediglich, den Kontakt zu Ihnen zu annullieren. Sie könnten aber auch zu dem Schluss kommen, dass Sie annulliert werden müssen.
Auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung war sie äußerst wachsam. Sie war froh, dass sie versteckt in der vorderen Hosentasche ein Messer trug. Die Tigerkrallenklinge und der Ringgriff für Zeige- und Mittelfinger bestanden aus in Epoxidharz eingebettetem, mit Karbonnanoröhrchen verstärktem Glas – mit einer Schneidkraft wie Stahl, aber von einem Flughafenscanner unaufspürbar. Die Jungs von der Mossad-Technik hatten es nach einem FS-Hideaway-Modell speziell für sie angefertigt. Es war nicht schnitthaltig, aber das war auch nicht der Zweck. Kein Werkzeug für den täglichen Gebrauch, sondern eine Waffe für den äußersten Notfall.
Niemand folgte ihr. Aber jetzt wusste sie, dass sie beobachtet wurde. Beobachtet und taxiert. Welche Tests auch immer vor ihr lagen, ihr war klar, dass sie sie besser bestand.
Am nächsten Abend nahm Delilah die U-Bahn zum Bahnhof Warwick Avenue und ging dann zu Fuß zum Momtaz weiter. Die Sonne stand schon tief am Himmel und badete die Straßen in den immer länger werdenden Schatten von Bäumen, Apartmenthäusern und Lampenmasten. Sie kam an einer Gruppe von rucksackbepackten Studenten vorbei, einigen Pärchen mit Kinderwagen und Einheimischen, die das lange Tageslicht eines lauen Sommerabends auskosteten. Sie hatte das Gefühl, dass sie mit ihren Jeans und einem weiteren Kaschmirpulli mit V-Ausschnitt, diesmal einem meergrünen, nicht weiter auffiel. Die Kameratasche hatte sie sich über die Schulter geschlungen. Ein paar Restaurants hatten geöffnet, doch die meisten Geschäfte waren geschlossen, verborgen hinter heruntergelassenen Metalljalousien.
Die Gegend war nicht direkt heruntergekommen, hatte aber etwas leicht Schäbiges an sich – zumindest nach den Standards von Mayfair oder Belgravia weiter im Südosten. Im Norden ging der Stadtteil in Kilburn mit seiner großen pakistanischen und muslimischen Gemeinde über, soweit Delilah wusste. Sie hätte die Umgebung gern besser ausgekundschaftet, aber wenn man bemerkte, dass sie zu früh kam oder sich zu gründlich umsah, hätte es verdächtig gewirkt. Also beschränkte sie sich auf den Fußweg von der U-Bahn-Station, den sie sich früher am Tag auf einer Karte im Internet angesehen hatte. Die Strecke gestattete ihr natürliche Abkürzungen über verschiedene ruhige Wohnstraßen und schloss multiple Abbiegungen nach links und rechts mit ein, sodass sie reichlich Gelegenheit hatte, sich nach Verfolgern umzusehen. Sie konnte keine Probleme feststellen.
Das Momtaz lag im Parterre eines dreigeschossigen braunen Backsteingebäudes an einer Straßenecke mit Geschäften und Wohnungen. Auf beiden Seiten des Eingangs erstreckten sich lange verglaste Terrassen – Delilah vermutete, dass damit dem Londoner Rauchverbot Rechnung getragen werden sollte. Sie trat ein und gelangte in ein großes Foyer, in dessen Mitte sie eine hübsche Hostess in einem schlichten Kleid empfing. Zum Café zweigte es rechts und links ab. Die Luft roch nach süßem Tabak und war erfüllt vom Klang arabischer Popmusik und dem leisen Hintergrundraunen der Gespräche. Einige Pärchen und Grüppchen, hauptsächlich südostasiatischer und arabischer Herkunft, besetzten die Nischen und Bänke. Ein paar Männer sahen bei ihrem Eintreten auf und beäugten sie mit jener Unverfrorenheit und Intensität, die sie jedes Mal wieder abstieß. Viele von ihnen konnten zu Fatima gehören. Es gab keine Möglichkeit, das zu entscheiden.
Delilah sagte der Hostess, dass sie sich mit einer Freundin treffen wollte, die sie möglicherweise schon in dem für Frauen vorbehaltenen Bereich erwartete … Die Hostess wusste Bescheid und bedeutete Delilah, ihr zu folgen. Jeder Mann im Restaurant starrte Delilah ins Gesicht, und sie spürte deren Blicke auf
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