Der parfümierte Todeshauch
kunstvolle
Inszenierungen! Kerzengerade und stocksteif wie ein Zaunpfahl, so daß sie
größer wirkte, als sie war, stand sie in Nylonstrümpfen vor mir; und abgesehen
von diesen Strümpfen, ihrem schwarzen, hauchzarten Strumpfhaltergürtel und
einem Spitzenhöschen hatte sie rein gar nichts an.
Rein gar nichts... außer daß sich ihre Hand um
einen Brieföffner krampfte, mit dem sie mich bedrohte.
Ich schlug auf den Knopfschalter meiner
Nachttischlampe. Das Licht flammte auf, und gleichzeitig sprang ich aus dem
Bett und entwaffnete das Mädchen, bevor sie zustoßen konnte.
Beide nackt, miteinander kämpfend, waren wir
bestimmt das Eintrittsgeld wert!
«Nein! Nein!» schrie sie mit einer fremden
Stimme, die den Lärm der Naturgewalten übertönte. «Nein, ich will nicht... Nein!»
Ihre Augen hatten dunkle Ränder und waren weit
aufgerissen, aber ohne Leben.
Das Mädchen schlafwandelte!
Mit einer schallenden Ohrfeige schickte ich sie
in einen Sessel. Sie blieb dort sitzen, regungslos, willenlos, die Augen auf
irgend etwas Furchteinflößendes gerichtet. Ein feuchter Windstoß kam durchs
offene Fenster und ließ sie erschauern.
Ich schloß das Fenster und zog die Vorhänge vor.
Nach und nach kam meine Schlafwandlerin zu sich, unterstützt durch den Tumult
der entfesselten Elemente.
«Mein Gott!» stöhnte sie. «Mein Gott!»
Dann senkte sie den Kopf und hüllte sich in
Schweigen. Das Unwetter kroch davon wie eine Schnecke. Das Gewitter
verabschiedete sich mit einem letzten Donnerschlag, der leise in der Ferne
verhallte, wie ein Furz im Wind.
«Also, Janine!» begann ich. «Wissen Sie, was Sie
mit diesem Brieföffner vorhatten? ... Genauso haben Sie sich verletzt, nicht
wahr? Nur daß Sie ein Rasiermesser in der Hand hielten, als jemand Sie
entwaffnen wollte...»
«Ja... ein Rasiermesser...»
Sie schlug die Hände vors Gesicht und fing an zu
schluchzen.
Dann, als sie sich wieder etwas beruhigte, fuhr
sie fort, wobei sie meinem Blick auswich:
«Ja... So habe ich mich verletzt... heute
nachmittag... mit einem Rasiermesser... von meinem Patenonkel. Ich wollte mich
damit verteidigen... im Badezimmer... als er... als er mich...»
«Als er Sie vergewaltigen wollte, ja? Nicht Ihr
Onkel, sondern Baptiste, der Butler, der nach dieser im Tarifvertrag nicht
vorgesehenen Heldentat rausgeschmissen wurde.»
Sie schien sich nicht zu fragen, woher ich diese
Information hatte.
«Ja, genau... Und eben», fügte sie wie zu sich
selbst hinzu, «hatte ich einen Alptraum. Ich habe geträumt... dieselbe
Situation... und ich wollte... ich habe geglaubt... Mein Gott, ich werde noch
verrückt! Die Sorgen meines Onkels... Baptistes Versuch... und dann Paul... der
Unfall...»
«Aber, aber, beruhigen Sie sich», beruhigte ich
sie. «Denken Sie nicht mehr daran. Genug Aufregung für heute!»
Ich tätschelte ihre Schulter. Sie machte ein
Gesicht, als hätte sie einen Teller Suppe verschüttet. Dagegen mußte etwas
getan werden. Ich holte eine Flasche und zwei Gläser. In ihres schüttete ich
fast ein halbes Fläschchen Schlafmittel.
«Ein Beruhigungsmittel», erklärte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
«Ich werde bestimmt nicht mehr einschlaf en
können.»
«Das müssen Sie aber!»
Plötzlich brach sie in schallendes Gelächter
aus, in ein unangenehmes, hysterisches, schrilles Gelächter.
«Aber Sie sind ja nackt!» rief sie aus. «Nackt
wie ein Regenwurm! Und ich auch! Ich bin auch nackt! Wir sind nackt,
splitterfasernackt!»
Scheiße, sie hatte recht. Das hatte ich
vollkommen vergessen.
In meinem Unbewußten müssen noch Überreste von
Exhibitionismus herumgeistern. Ich stürzte zu meinem Pyjama und zog die Hose
an. Ich suchte eine Decke, fand eine und warf sie Janine zu.
«Hier, bedecken Sie sich damit!»
Sie lachte immer noch wie eine Irre, das Glas in
der Hand. Dann brach sie plötzlich ab, wickelte sich mehr oder weniger
geschickt in die Decke und trank ihr Glas in einem Zug leer, wobei sie mich
über den Rand hinweg beobachtete. Ich leerte ebenfalls mein Glas. Danach gab
ich meinem Gast zu verstehen, daß wir jetzt wirklich ins Bett gehen müßten,
jeder in seines.
Kaum hatte ich mich hingelegt, schlief ich auch
schon ein.
Eine vertrauliche
Mission
Ich erwachte aus tiefem Schlaf, ähnlich wie
Lazarus zum Leben erweckt wurde. Dazu kam bei mir allerdings noch ein
erstklassiger Kater und die Überzeugung, daß ich so etwas wie ein alter Esel
war. Überflüssig der Versuch, mir die bittere Pille
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