Der parfümierte Todeshauch
gejault hat oder nicht, wenn ich das Schwein erwische...»
Er brach plötzlich ab und starrte eine Weile
schweigend vor sich hin. Dann fauchte er:
«Mir reicht’s! Hab die Schnauze voll von euch.
Ich geh schlafen.»
Er torkelte hinaus.
«Der war vorher schon plemplem», bemerkte einer
der Gäste. «Und das gibt ihm den Rest.»
«Trotzdem, es gibt schon Schweine auf der Welt»,
stellte der Kneipenwirt abschließend fest. «Na ja, reden wir von was anderem.»
Sie redeten von etwas anderem, vor allem von
Verkehrsunfällen im allgemeinen und von dem der «Patentochter von dem Buard» im
besonderen. Jemand sagte, wenn er eine Tochter oder Patentochter oder so was
Ähnliches hätte, würde er ihr nicht soviel Freiheit lassen. Ein anderer
bemerkte, daß Monsieur Buard — Monsieur Buard, das war wer! — schon wisse, was
er tue, und daß jeder vor seiner eigenen Tür kehren solle, und daß diese
verdammte Kreuzung... usw. Für mich war das Thekengespräch völlig
uninteressant. Ich trank noch einen zweiten Cognac, zahlte, stand auf und ging.
Draußen herrschte friedliche Stille. Hier und da
standen die Leute vor ihren Haustüren, plauderten miteinander und schnappten frische
Luft. Ich schlenderte ohne Eile zu meinem Wagen zurück. Er stand vor dem
Gasthaus, in dem ich zu Abend gegessen hatte.
Gegen meinen Dugat gelehnt, wartete ein Junge
rauchend auf mich. Als ich näher kam, erkannte ich Jules. Er schien sich
köstlich zu amüsieren.
«Er ist losgefahren, der Blödmann», legte er
ohne Einleitung los. «Nicht daß ich was dagegen hätte, aber man muß auch nicht
gleich übertreiben, find ich. Im Grunde meines Herzens bin ich nämlich nicht
bösartig. Ich könnte die Schnauze halten und mich nicht drum kümmern. Alarm
schlagen tu ich jedenfalls nicht. Aber Ihnen kann ich’s ja sagen.»
«Okay, Jules, mir kannst du’s sagen! Aber was
willst du mir denn überhaupt sagen?»
«Haben Sie’s nicht kapiert? Ich red von Robert.
Mit seinem Karabiner ist er zur Villa Mogador, das schwör ich. Hab ihn eben auf
seinem Moped gesehn. Na ja, mehr oder weniger auf seinem Moped. Scheint
ja ganz schön einen in der Krone zu haben! Manchmal sitzt er drauf, oder er
versucht’s wenigstens, und manchmal fällt er runter. Das geht dann noch
schneller! Und dabei hab ich gesehen, daß er sein Gewehr bei sich hatte.»
«Weit kann er noch nicht gekommen sein. Werd
versuchen, ihn einzuholen. Kommst du mit, Jules?»
«Nein, nein! Ich hätte auch die Schnauze halten
können, aber so wasch ich meine Hände in Unschuld. Wenn er durchdreht, ist das
sein Bier.»
Ich bezog Posten.
Hinter der mit Efeu bewachsenen Umfassungsmauer
zeichnete sich die Villa Mogador als dunkle, finstere Masse vor dem noch
dunkleren Wald ab.
Das schlafende Haus, der nächtliche Wind, der
die Blätter der Bäume liebkoste, die Gerüche der Natur, das Zirpen der Grillen,
der sehnsüchtige Schrei einer Eule in der Ferne: Alles war still, friedlich,
sauber und ordentlich. Die Vorstellung, daß ganz in der Nähe ein Mann mit einem
Karabiner im Anschlag umherschlich, ließ mich jedoch erschauern.
Ich hatte Robert nicht eingeholt. Weit und breit
kein Moped zu sehen. Aber bei dem Vorsprung, den er hatte, konnte er gut und
gern schon auf das Grundstück gelangt sein. Ich war ausgestiegen und hatte mich
umgesehen. Ohne Ergebnis. Kein Robert. Und nun stand ich hier und wußte nicht
mehr so recht, worauf ich eigentlich wartete und was ich tun sollte. Ich wagte
nicht, Albert Buard wegen einer wahrscheinlich nur eingebildeten Gefahr aus dem
Bett zu klingeln. Und andererseits...
Als ich spürte, daß jemand hinter mir stand, war
es schon zu spät.
Jetzt wußte ich, worauf ich gewartet hatte,
während ich die Villa Mogador beobachtete. Ich hatte darauf gewartet, daß mir
jemand einen hübschen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Hinterkopf
verpassen würde.
Der Schlag hatte eine eigentümliche Wirkung auf
mich. Zwar setzte er mich für einen Moment außer Gefecht, aber er setzte meine
Wahrnehmungsfähigkeit nicht gänzlich außer Kraft. Diese Art k.o.-Schlag hatte
mir noch in meiner Sammlung gefehlt. Ich spürte, daß ich auf dem Rücken lag,
daß mir kotzübel war und man sich um mich herum bewegte; aber es war mir
unmöglich, mich selbst zu bewegen. Dieser verdammte Robert!
Der Schein einer Taschenlampe wurde auf mein
Gesicht gerichtet. Der Wald rauschte nicht mehr, er dröhnte. Die Erde schien
unter mir zu beben. Hände betasteten
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