Der parfümierte Todeshauch
beiden
entfernten sich, und mit ihnen ihre unangenehmen Stimmen. Durch das Blattwerk
drang schwach das Licht der Taschenlampe, dann — stärker — das der
Scheinwerfer, das sich brutal durch die Dunkelheit des Unterholzes fraß. Die
Wagentüren knallten zu, der Motor heulte auf, und dann trug der Wagen die
geheimnisvollen Männer fort. Ich hörte noch, wie der Fahrer auf der Straße in
einen höheren Gang schaltete. Weiter weg begrüßte ein Hund mit kurzem, wenig
begeistertem Gebell die Ruhestörer, dann versank alles um mich herum wieder in
nächtliche Stille.
Die Fassade der Villa Mogador war nicht mehr
dunkel. Im Arbeitszimmer des Bankiers, dort, wo wir uns heute nachmittag
aufgehalten hatten, brannte Licht. Aber still war es nach wie vor. Der Wind
bewegte den halb zugezogenen Vorhang vor dem erleuchteten Fenster.
Das schmiedeeiserne Tor stand einen Spaltbreit
offen. Ich schlüpfte hindurch und ging über den Plattenweg zum Haus. Ich
schlich mich in das Haus wie in ein Weihnachtszimmer: Welche Bescherung würde
mich erwarten?
Im Arbeitszimmer herrschte ein herrliches
Durcheinander. Umgestürzte Sessel, aufgerissene Schubladen, verrutschter
Teppich. Das Telefonkabel war herausgerissen, und der Apparat lag neben einer
auseinandergefalteten Zeitung auf dem Boden.
Und noch etwas lag auf dem Boden: Vater Buard.
Mitten in der Bescherung, ein Arm unter dem Oberkörper, der andere weit von
sich gestreckt. Unter einem grünseidenen Morgenmantel trug er noch seine
Anzughose und seine Füße steckten in Lederpantoffeln. Ich drehte ihn auf den
Rücken. Dem staunenden Kenner präsentierte sich eine hübsche Beule auf der
Stirn und ein blaues Veilchen auf dem linken Auge. Entgegen meiner Befürchtung
war der Bankier nicht tot, sondern nur bewußtlos. An seiner Kleidung konnte ich
kein Loch entdecken, durch das eine Gewehrkugel bis zum Körper und noch weiter
gedrungen wäre. Der Schuß, den ich eben gehört hatte, war wohl nur zur Warnung
oder Einschüchterung abgegeben worden.
Dafür entdeckte ich zwischen zwei Bücherregalen
an der Wand eine Graphik hinter Glas. Das Glas war zersplittert, und die
Graphik wies ein Loch auf. In der Wand dahinter steckte das Geschoß.
Erst einmal galt es, den Hausherrn wieder zum
Leben zu erwecken. Nach der Patentochter der Patenonkel! Nestor Burma, der
private Krankenpfleger der Familie Buard.
Ich öffnete eine Tür ganz hinten im
Arbeitszimmer. Sie führte in einen Raum, der mit einem ordentlichen Schrank und
einem noch ordentlicheren Bett möbliert war. Von diesem Zimmer aus gelangte ich
ins Badezimmer, wo ich den kleinen Arzneischrank inspizierte. Wenn ich ein
Fläschchen mit der Aufschrift «Für Wunden und Beulen» gefunden hätte, wäre mir
sehr damit gedient gewesen. Ich fand aber nichts dergleichen. Nur ein
Schlafmittel, aber in puncto Betäubung waren Buard und ich heute nacht bereits
bestens bedient worden. Ich griff also auf ein altes Hausmittel zurück: Ich
machte ein paar Handtücher naß und ging hinüber, um sie auf die Beule und das
malträtierte Auge des Bankiers zu legen.
Die Wirkung ließ ein wenig auf sich warten, doch
dann schließlich bewegte sich Albert Buard. Eine Minute später versuchte er
sich aufzurappeln, sank aber gleich wieder auf den Haufen nasser Handtücher zurück.
Nach einer weiteren Minute öffnete er die Augen, schloß sie... und öffnete sie
wieder. Er sah mich an und murmelte überrascht:
«Nestor Burma!»
«S. z. D.» sagte ich.
«Wie?»
«Stets zu Diensten.»
«Ah!»
Ich half ihm, sich in einen Sessel zu setzen,
dem ich vorher ebenfalls auf die Beine helfen mußte. Buard betastete mit seinem
Zeigefinger Beule und Veilchen, vorsichtig, ganz vorsichtig, ohne zu fest zu
drücken. Dann bedeckte er seine Beine mit den Schößen des Morgenmantels.
Während er noch versuchte, wieder in die Gänge
zu kommen, mixte ich ihm ein Stärkungsmittel. Wenig begeistert setzte er das
Glas an seine blutleeren Lippen. Er war erschöpft, fix und fertig. Alles schien
ihn anzuwidern. Verträumt sah er das Glas in seiner Hand an. Ich merkte, daß er
nicht weitertrinken wollte, und nahm ihm das Glas ab. Er protestierte nicht.
Ich setzte mich auf die Schreibtischkante und wartete darauf, bis er fähig sein
würde, eine Unterhaltung zu führen. Mein Blick fiel auf eine der offenstehenden
Schubladen. Ich beugte mich hinunter... und wurde daran erinnert, daß auch ich
einen schweren Kopf hatte. In der Schublade hatte der Revolver gelegen,
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