Der parfümierte Todeshauch
den
Janine mit sich herumgeschleppt hatte. Aber der Revolver lag nicht mehr darin.
Der Bankier beobachtete kommentarlos jede meiner
Gesten. Seine Augen schienen wie erloschen, wandten sich von mir ab und
fixierten den Teppich. Zwei Nachtfalter umflatterten die Deckenlampe. Ihre
Schatten irrten zwischen Buard und mir hin und her.
Plötzlich meinte ich ein Motorengeräusch draußen
auf der Straße zu vernehmen. Ich holte den «Engländer» aus meiner Tasche.
«Was ist?» fragte Buard mit schwacher Stimme.
Bevor ich antwortete, lauschte ich in die Nacht
hinein. Ja, es war ein Motorengeräusch, aber eins, das sich wieder entfernte.
Ich legte das schwere Werkzeug auf den Schreibtisch und sagte:
«Ich dachte, die beiden wären zurückgekommen.»
Fragend zog er die Augenbrauen hoch.
«Ihre Besucher», erklärte ich. «Wer waren
übrigens die Kerle?»
«Gangster... für Sie...»
Seine Augen drückten unendliche Erschöpfung aus.
«Aber, wissen Sie, im Moment...»
«Ja, verstehe», sagte ich verständnisvoll. «Oh!»
Ich fühlte in meiner Tasche den Briefumschlag,
den ich bei der Inventur des Handschuhfachs gefunden hatte, und zog ihn heraus.
«Was ist das?» fragte Buard.
«Ein Umschlag, den ich unterwegs gefunden habe.
Francis Ballu, Rue de Bercy... Kennen Sie ihn?»
«Nein...»
Er gähnte.
«Bringen Sie mich ins Bett? ... Und wenn Sie
sich auch etwas ausruhen wollen, können Sie... im Gästezimmer...»
Er verstummte. Den Weg zum Gästezimmer zu
beschreiben ging über seine Kräfte. Ich sagte, ich werde mich schon
zurechtfinden, und nachdem ich den Briefumschlag wieder eingesteckt hatte,
führte ich den Bankier zu seinem Bett. Er streckte sich sofort in seinem
Morgenmantel darauf aus, zu müde, um sich noch auszuziehen.
«Gangster... und Arbeit für Sie», flüsterte er.
«Wie schön!» lachte ich.
Was wieder einen stechenden Schmerz in meinem
Schädel verursachte.
«Die Kerle haben mir nämlich alles abgenommen,
was ich bei mir hatte... Geld, Waffe...
Verflucht noch mal!» rief er wie unter einem
plötzlichen Energiestoß. «Geld! Immer wieder Geld! Wenn Sie wüßten, wie
beschissen es manchmal sein kann, wenn man zuviel davon hat!»
Ich ging nicht weiter darauf ein. Solch eine
Diskussion führte unter den gegebenen Umständen zu nichts.
«Immerhin», sagte ich nur. «Äh... Wollen Sie mir
jetzt nicht endlich verraten, wer die beiden waren? Eventuell könnte man jetzt
gleich was unternehmen...»
«Nein... morgen...»
«Okay. Wollen Sie nicht wenigstens wissen, was
ich hier in der Gegend zu suchen hatte, anstatt in Paris im Bett zu liegen?»
Er gab keine Antwort. Offensichtlich scherte er
sich keinen Deut darum.
«Werd’s Ihnen trotzdem erzählen. Ich habe
versucht, Sie vor einem gewissen Robert Vigoud zu beschützen, einem Klassenkämpfer,
der fest davon überzeugt ist, daß Sie seinen Hund getötet haben. Er hat sich
mit einem Karabiner bewaffnet und eine Art Nachtwanderung hierher unternommen.»
«Was für einen Hund?»
«Eine Brillenschlange, besser gesagt. Wegen der
haarigen Ringe um seine treuen Hundeaugen.»
«Ach so... Also dann, gute Nacht, Burma.»
Er hatte keine Lust mehr, das Gespräch
fortzuführen.
«Gute Nacht.»
Ich knipste das Licht aus und ging hinüber in
sein Arbeitszimmer. Doch Buard rief mich wieder zurück.
«Burma!»
«Ja?»
«Knipsen Sie das Licht wieder an.»
Ich gehorchte. Krankenpfleger und Butler. Buard
hatte sich auf den Ellbogen aufgestützt, seine Gesichtszüge waren hart, beinahe
verzerrt.
«Dieser Migoud... oder Vigoud... Ist er
gefährlich?»
«Könnte sein.»
«Ich kenne keinen Vigoud... Jedenfalls hat er
mich nicht überfallen... Aber ich war es tatsächlich, der den Hund getötet
hat.»
Er verriet mir nicht, auf welche Weise er es
getan hatte. Im Polizeiton fragte ich ihn: «Warum?»
«Weil sein Gejaule Janine angst machte.»
«Und weil Sie keine Hunde mögen», ergänzte ich
lächelnd. «Sind Sie vom Tierschutzverein?»
«Nein.»
«Also, was geht Sie das an?»
In seiner Stimme lag, trotz der Worte, keine
Spur von Aggressivität. Nur Kummer, Enttäuschung, Bitterkeit, Erschöpfung. Ein
hübsches Paar, die beiden, Patenonkel und Patentochter!
«Bitte! Geben Sie mir was zu trinken, das wird
mir guttun.»
Butler Nestor eilte diensteifrig ins
Nebenzimmer, wo das halbleere Glas stand. Als ich wieder zurückkam, überraschte
ich meinen schwachen Buard im Bett sitzend, fast sprungbereit.
«Was ist denn jetzt los?» erkundigte ich mich.
«Ich
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