Der parfümierte Todeshauch
Meinung zu überzeugen, stellte ich im Geiste
eine Liste meiner Gläubiger zusammen. Das Resultat war umwerfend.
Wenig später teilte mir der Arzt mit, daß meiner
Entlassung nichts im Wege stehe, und daß ich, wenn ich es wünschte, am nächsten
Tag die Klinik verlassen könne. Ich wünschte es. Ich fühlte mich wieder in
Topform, bereit, eine unbestimmte Anzahl weiterer Schläge auf den Kopf zu kassieren.
Noch ein wenig später überbrachte man mir die
telefonischen Genesungswünsche von Monsieur Durocher. Der Chef der Métropolitaine wünschte nicht nur baldige Genesung, sondern auch eine Unterhaltung mit mir,
sobald es mein Gesundheitszustand erlaube. Ich rief augenblicklich zurück, und
wir verabredeten uns für den nächsten Tag.
Danach hatte ich Muße, meinen Gedanken
nachzuhängen. Ich dachte an den Wagen der Kidnapper, dessen Nummer «so
ungefähr» notiert worden war. Es mußte wohl der Wagen sein, gegen den ich im
Wald gestoßen war, nach meinem ersten Niederschlag. Ein gestohlenes Fahrzeug...
oder auch nicht. Besonders schlau hatte ich mich ja gerade nicht verhalten.
Zumindest hätte ich die Autonummer notieren können! Zeit genug dazu hatte ich
gehabt. Allerdings konnte ich mir mildernde Umstände zubilligen, da ich kaum
aus meiner Benommenheit wieder aufgewacht war. Ich hatte mich damit begnügt,
einen Schluck aus der Flasche zu trinken und den Briefumschlag an mich zu
nehmen. Wie hieß der Adressat noch gleich? Ach ja, Ballu. Wahrscheinlich kam
dem Umschlag keinerlei Bedeutung zu, und außerdem befand er sich nicht mehr in
meinem Besitz. Bevor man mich den Fluten übergeben hatte, hatte man mir alle
Papiere abgenommen. Nur meine Pfeife hatte man mir gelassen. Weiß der Teufel,
warum. Noch eine Frage, die beantwortet werden wollte! Ich stellte mir noch
einige andere, auf die ich auch keine Antwort wußte. Von Monsieur Ballu, an
dessen Adresse ich mich nicht mehr erinnerte, sprang ich zu Monsieur Durocher.
Was wollte er von mir? Mir einen Auftrag
erteilen? Das würde dem Haus Ribes & Cie. nicht gefallen. Oder wollte
er mir dieselben Ratschläge geben, die mir soeben das genannte Haus erteilt
hatte? Wenn er mich engagieren wollte, dann bitte in einer weniger absurden Komödie
als beim letzten Mal, als ich in Nîmes einen Phantom-Gangster jagen sollte und...
Na ja, für eine absurde Komödie... Wenn ich’s mir richtig überlegte...
Bisher hatte ich mich nicht sonderlich für
Monsieur Durocher interessiert. Vielleicht war das ein Fehler gewesen.
An jenem Abend wälzte ich noch eine Menge
solcher Gedanken in meinem Hirn, das sich so langsam wieder ans Arbeiten
gewöhnte. Ich fragte mich zum Beispiel, warum mich Durocher ans andere Ende
Frankreichs geschickt hatte. Vielleicht um zu verhindern, daß ich aufgrund der
Verbindung Burma-Grillat-Buard mehr oder weniger automatisch in die Ereignisse
um Buard verwickelt werden würde. Und wenn ich trotz seiner Vorsichtsmaßnahme
besagten Ereignissen beigewohnt hatte, dann deshalb, weil sie wegen eines
Rechenfehlers oder wegen «Sand im Getriebe» nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt
stattgefunden hatten.
Mit dieser angenehm einfachen Perspektive
schlief ich ein... und träumte von Faroux, der mich anschnauzte: «So halten Sie
also Ihr Versprechen?» Dann Szenenwechsel: Janine belebte, nur mit Strümpfen
bekleidet, meinen Schlaf. Und auch sie versuchte, meine Neugier abzulenken,
indem sie — nicht durch Drohungen wie Ribes und Faroux — sich mir als Ersatz
anbot. Da erschien Faroux wieder auf der Bildfläche, lachte mich aus, ich hätte
in der Geschichte nichts zu melden, ich sei unverbesserlich. Ich schmiß Faroux
raus.
Meine darauffolgenden Traumaktivitäten — wie die
Gendarmen der Gegend vielleicht gesagt hätten — konnte man als unanständig
bezeichnen.
Enthüllung
Am nächsten Morgen erwachte ich katerfrei, was
ich als gutes Omen wertete. Ich verabschiedete mich (von Fontainebleau, wie
Napoleon) von meinen Krankenschwestern, feierte ein fröhliches Wiedersehen mit
meinem Wagen, der in der Zwischenzeit von Samois «überführt» worden war, und
fuhr nach Hause. Faroux hatte freundlicherweise dafür gesorgt, daß ich
nagelneue Ausweispapiere in Händen hielt, als Ersatz für die, die mir meine
«Mörder» geklaut hatten. Auch mein Anzug mußte dringend gegen einen neuen
ausgetauscht werden. Ich zog einen sauberen, geschmackvollen Zwirn an, setzte
einen dazu passenden Hut auf und wartete darauf, daß es Zeit würde, zu meiner
Verabredung
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