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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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dieselbe...
    Zuerst hatte ich nach unten gesehen. Jetzt sah
ich zur Seite.
    Eine Etage unter mir, im Nebenhaus, befand sich
ein Küchenfenster. Auf dem breiten Fensterbrett kümmerten ein paar Topfpflanzen
vor sich hin. Das Fenster stand sperrangelweit auf und ein hölzerner
Wäschetrockner ragte heraus.
    Ich ging zu dem dreckigen Wäschehaufen zurück,
suchte und fand zwei Laken, die ich gut gebrauchen konnte. Ich knüpfte sie
aneinander, während ich zur Wohnungstür hin lauschte. Noch vor einer Minute
hatte es wie wild geläutet. Jetzt war es mucksmäuschenstill. Plötzlich fing
jemand an zu schimpfen, und es kam Bewegung in die Besuchergruppe. Bestimmt war
ein Neugieriger auf die Idee gekommen, durchs Schlüsselloch zu spähen.
    Es war höchste Zeit, von hier zu verschwinden.
    Ich befestigte meine behelfsmäßige Schaukel am
Waschbecken, warf sie durch das Fenster, stieg aufs Fensterbrett, packte das
Laken und seilte mich ins Leere ab. Heiliger Bimbam, bitte für uns! Ich stieß
mich mit den Füßen von der Hauswand ab, ließ mich einmal hin- und herschwingen,
ein zweites Mal (gelungener als das erste), und landete halb auf dem
Wäschetrockner, halb im angepeilten Küchenfenster. Ich verlor das Gleichgewicht
und fiel nach hinten. Der Himmel drehte sich. Glücklicherweise befanden sich
meine Beine bereits im Innern der Küche. Mein rechter Fuß rutschte unters
Spülbecken. Es tat höllisch weh und ruinierte meinen Schuh, doch dadurch bekam
ich die Situation wieder in den Griff. Ich hielt mich irgendwo fest, drehte und
wand mich und rollte schließlich auf dem staubigen Fliesenboden ab. Eine der
Pflanzen fiel auf den Innenhof, ihr Topf ging scheppernd zu Bruch.
    Ich hielt mich nicht lange in der Küche auf,
sondern lief zur Wohnungstür. Geschlossen. Abgeschlossen. Mein
Pfeifenreiniger-Dosenöffner brauchte zuviel Zeit zum Öffnen. Ich rannte in die
Küche zurück, wo ich bei meinem ersten Besuch eine Art Werkzeugkiste gesehen
hatte. Darin fand ich Hammer und Meißel, und zackzack! Nestor, der kleine
Einbrecher! Ich sauste die Treppe im Eiltempo hinunter, ohne irgend jemandem zu
begegnen, bremste ab und trat dann gemächlich aus dem Haus.
    In diesem Augenblick erhob sich ein
Mordsspektakel im Innenhof. Jemand mußte vom Aufprall der Topfpflanze angelockt
und die zusammengeknoteten Bettlaken entdeckt haben. Oder aber... Wenn ich
genau wissen wollte, was passiert war, würde ich an einem anderen Tag
zurückkommen müssen.
    Auf der Straße wimmelte es von Uniformierten.
Eine Schar Neugieriger kam von irgendwoher an den Ort gelaufen, an dem was
passiert sein mußte. Manche Leute haben für so was einen Riecher. Ich schwamm
gegen den Strom die Straße hinunter, das Herz in der Hose, und verschwand in
der erstbesten Seitenstraße (Passage des Mousquetaires, falls das jemanden
interessiert). Im Hintergrund sah ich die Seine schimmern. Ich gelangte auf den
Quai de la Râpée. Nun ging es darum, unauffällig zu meinem Wagen zu gehen, den
ich am Anfang der Rue de Bercy geparkt hatte, in der Nähe des Boulevard
Diderot, bevor ich die Briefkästen Haus für Haus inspiziert hatte. Ich schlich
also den Quai de la Râpée entlang zur Place Mazas und zur Morgue, dem
Leichenschauhaus (ein hübscher Zufall!), und bog kurz darauf in die Rue de
Bercy ein. Mein Dugat 12 stand einsam und verlassen da. Nichts Verdächtiges
weit und breit. Ich klemmte mich, schwitzend wie ein Affe, hinters Steuer. Noch
nie war mir so heiß gewesen. Ich war schweißgebadet. Mit meinem bereits
feuchten Taschentuch wischte ich mir Gesicht und Nacken ab. Dabei fiel mir auf,
daß mein Hut nicht mehr dort saß, wo er sitzen sollte. Er war in Ballus Wohnung
zurückgeblieben.
    Und auf dem Hutband stand alles Nötige, um die
Flics auf meine Fährte zu führen — falls einer von ihnen sich etwas Mühe geben
würde und nicht zu blöd dazu war.

Der Notar, der Hund
und der Butler
     
     
     
    Auf der Fahrt von der Rue de Bercy nach Hause
dachte ich angestrengt nach. In meiner Wohnung angekommen, machte ich mich
frisch, entnahm der Akte Bodin das Foto von Legrand, genannt der Große Jo,
legte es zu denen, die ich bereits mit mir herumschleppte, gestattete mir fünf
Minuten, um mir meine Fotosammlung noch einmal näher anzusehen, suchte und fand
im Branchentelefonbuch unter der Rubrik «Notare» die Adresse (Rue Monge) von
Monsieur Calviac (der durchgestrichene oder abgehakte Name auf Ballus Liste),
fragte mich, ob ich dem Notar meinen Besuch telefonisch ankündigen

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