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Der parfümierte Todeshauch

Der parfümierte Todeshauch

Titel: Der parfümierte Todeshauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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eines Tischs und zwei andere, nicht
genau zu identifizierende Gegenstände.
    Plötzlich huschte ein Schatten vor meinem Auge
vorbei. Kein Mensch, eher eine Fliege oder ein Schmetterling.
    Ich richtete mich wieder auf, holte mein
Taschentuch heraus und wischte mir den Schweiß ab. Ob es mit den Vorhersagen
von Albert Simon übereinstimmte, wußte ich nicht; aber es war brüllend heiß.
Mein Hemd klebte mir am Körper.
    Ich ging hinüber zur Nachbartür und läutete.
Mehrmals. Fehlanzeige. Monsieur und Madame Combes waren arbeiten oder im
Urlaub. Wie die meisten Hausbewohner. Ich lockerte meine Krawatte und ging wieder
hinüber zur Tür von Francis Ballu. Niemand zu Hause auf dieser Etage? Gut, dann
konnte ich mich an die Arbeit machen und meinen nicht patentierten, aber
äußerst leistungsfähigen Pfeifenreiniger-Flaschenöffner in Anschlag bringen.
Die Tür war mit einem Riegel verschlossen und gab so leicht nach wie ein junges
Mädchen, dem man Probeaufnahmen beim Film verspricht. Ich trat ein und ließ die
Tür hinter mir ins Schloß fallen.
    Ich hatte mich nicht getäuscht, als ich eben
durchs Schlüsselloch gelinst hatte. Es war tatsächlich ein Schuh. Ein Schuh mit
einem Fuß darin. An dem Fuß hing ein Bein und so weiter.
     
     
     
    Ich wedelte mit meinem Hut, um die Fliegen zu
verscheuchen, und schloß das Fenster, das man hatte offenstehen lassen,
vielleicht damit der Mann noch die Junisonne genießen konnte. Das Fenster ging
auf die Eisenbahnlinie hinaus, man konnte uns also nicht beobachten; aber
trotzdem...
    Ich schob den Tisch zurück und zog die Leiche
näher ans Tageslicht. Es war ein ziemlich junger Mann mit dem kränklichen
Gesicht eines Rauschgiftsüchtigen. Der Tod hatte daran nichts geändert, im
Gegenteil. Der Tote grinste mich unverschämt an. Auch er machte sich über mich
lustig, obwohl er dafür gar keinen Grund hatte. Wenn man sich mit einem Messer
abmurksen läßt, und dadurch eine Riesenschweinerei anrichtet, sollte man sich
eher schämen! Und wenn man so blöd ist, seinen eigenen Wagen zu benutzen — denn
daran gab es für mich jetzt keinen Zweifel mehr — , um Dinge zu erledigen, die
ein gewisses Maß an Diskretion verlangen, dann steht es einem nicht zu, anderen
Leuten frech ins Gesicht zu grinsen.
    Mir wurde übel. Als ich von der Toilette, wo ich
meinen Magen entleert hatte, zurückkam, bemerkte ich zwei Banknoten auf dem
Boden, die vorher unter der Leiche gelegen hatten. Zwei Zehntausender,
blutbefleckt, ganz klebrig, zum Kotzen. Ich wußte schon seit langem, daß Geld,
Blut und Dreck zusammengehören wie ein infernalisches Trio; aber ein so
ausdrucksstarkes Beispiel hatte ich noch nie vor Augen gehabt. Mit angeekelter
Schuhspitze schob ich die Scheine zur Seite.
    Ich machte mich daran, die Taschen des Toten zu
untersuchen. Laut Personalausweis, den der Dolch durchbohrt hatte, hieß er
Francis Ballu. Das war nun wirklich keine Überraschung. Aber was hatte ich denn
zu finden gehofft? Eine Beichte des Jungen? Seine Memoiren? Dennoch fuhr ich
mit meiner Inspektion fort, und am Ende wurde meine Beharrlichkeit schließlich
doch noch belohnt.
    Ich weiß nicht, ob der Mörder die Namens- und
Adressenliste vergessen hatte, oder ob er nicht wußte, daß sie überhaupt
existierte. Jedenfalls fand ich sie zwischen anderem, unwichtigem Papierkram.
Vier Namen, auf den Rand einer herausgerissenen Telefonbuchseite gekritzelt,
per erste Name auf der Liste war mir nicht unbekannt.
    Ich hatte ihn häufig in auflagenstarken
Zeitungen gelesen, als «notarieller Treuhänder» bei Preisausschreiben. Der
erste Name auf der Liste war also der eines Notars, und ich ging davon aus, daß
die drei anderen ebenfalls diesem Berufsstand angehörten. Ein Notar! Was
konnten Ballu & Cie. mit einem Notar zu tun haben? Na ja, vielleicht
war das Gekritzel eine erste Spur. Einer der Namen, ein gewisser Calviac, war
durchgestrichen. Ich steckte den Zettel ein.
    Da ich von dem Toten nichts mehr zu erwarten
hatte, ließ ich von ihm ab und begab mich auf einen Streifzug durch die
Wohnung. Schlafzimmer, Küche. Nichts Interessantes für mich dabei an diesem
nicht gerade sauberen Ort. Ich beendete meinen Rundgang in der Toilette. Dort
fiel mein Blick auf eine kleine Nebenkammer, die offenbar auch als Wandschrank
benutzt wurde. Davon zeugten die Klamotten, die an mehreren Haken hingen. In
einer Ecke lag ein Haufen schmutziger Wäsche, aus dem ein blutverschmierter
Hemdsärmel herausschaute. Ich zog vorsichtig daran,

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