Der Partner
Anrufe auf.
Sie hatten ihn gefunden.
Der Zug von Nizza traf pünktlich in Aix ein, ein paar Minuten nach zwölf. Er trat auf den Bahnsteig und hielt nach ihr Ausschau. Er rechnete im Grunde nicht damit, sie hier zu sehen. Er hoffte es nur, betete fast darum. Er trug seine neue Tasche mit seinen neuen Kleidungsstücken bei sich und fand ein Taxi für die kurze Fahrt zur Villa Gallici am Rande der Innenstadt.
Sie hatte ein Zimmer auf ihrer beider Namen gebucht, Eva Miranda und Patrick Lanigan. Wie schön, aus der Kälte heraus zu sein, als wirkliche Menschen reisen zu können, ohne den Deckmantel falscher Namen und Pässe. Sie sei noch nicht eingetroffen, teilte ihm der Mann an der Rezeption mit, und seine Stimmung schlug um. Er hatte davon geträumt, sie in ihrem Zimmer vorzufinden, in verführerischen Dessous und zu allem bereit. Er glaubte sie bereits zu fühlen.
»Wann wurde die Buchung vorgenommen?« fragte er verärgert den Mann.
»Gestern. Mademoiselle Miranda hat von London aus angerufen und gesagt, sie würde heute Vormittag eintreffen. Bis jetzt ist sie nicht angekommen.«
Er ging aufs Zimmer und duschte. Er packte seine Tasche aus und bestellte Tee und Gebäck. Er schlief ein und träumte davon, ihr Klopfen an der Tür zu hören, sie ins Zimmer zu ziehen.
Er hinterließ an der Rezeption eine Nachricht für sie und begab sich auf einen langen Spaziergang durch die schöne Altstadt von Aix. Die Luft war kühl und klar. Anfang November war die Provence herrlich. Vielleicht würden sie hier leben. Er betrachtete die merkwürdigen Wohnungen oberhalb der alten, engen Straßen und dachte, ja, das ist ein schöner Ort zum Leben. Aix war eine Universitätsstadt, in der die Künste in Ehren gehalten wurden. Ihr Französisch war sehr gut, und er wollte es so gut sprechen lernen wie sie. Ja, Französisch würde seine nächste Sprache sein. Sie würden ein oder zwei Wochen hier bleiben und dann für eine Zeitlang nach Rio zurückkehren, aber vielleicht würde Rio nicht ihr Zuhause sein. Von der Freiheit begeistert, wollte Patrick überall leben, sich mit neuen Kulturen vertraut machen, neue Sprachen lernen.
Er wurde von einer Gruppe Mormonen-Missionare umlagert, aber er schüttelte sie ab und wanderte den Cours Mirabeau entlang. Er trank Espresso in dem gleichen Straßencafe, in dem sie Händchen haltend ein Jahr zuvor die Studenten beobachtet hatten.
Er dachte nicht daran, in Panik zu geraten. Es konnte sich nur um einen verpassten Anschlussflug handeln. Er zwang sich, sitzen zu bleiben, bis es dunkel wurde, dann wanderte er so gelassen wie möglich zum Hotel zurück.
Sie war nicht da, und es war auch keine Nachricht von ihr eingetroffen. Nichts. Er rief das Hotel in London an und erfuhr, dass sie gestern, Sonntag, am späten Vormittag abgereist war.
Er ging in den an den Speisesaal angrenzenden Wintergarten und fand einen Stuhl in der Ecke, den er so drehte, dass er die Rezeption durch ein Fenster hindurch beobachten konnte. Er bestellte zwei doppelte Cognac gegen die Kälte. Er würde sie sehen, wenn sie ankam.
Wenn sie eine Maschine verpasst hatte, hätte sie inzwischen angerufen. Wenn sie wieder vom Zoll aufgehalten worden wäre, hätte sie inzwischen angerufen. Irgendwelche Probleme mit Pässen, Visa, Tickets, und sie hätte inzwischen angerufen.
Niemand war hinter ihr her. Die Bösen waren entweder hinter Schloss und Riegel oder ausbezahlt worden.
Noch mehr Cognac auf leeren Magen, und bald war er betrunken. Er stieg auf starken Kaffee um. Er wollte wach bleiben.
Als die Bar schloss, ging Patrick in sein Zimmer. In Rio war es acht Uhr morgens, und nach einigem Zögern rief er ihren Vater an, mit dem er zweimal zusammengetroffen war. Sie hatte ihn als Freund und kanadischen Mandanten vorgestellt. Der arme Mann hatte schon genug durchgemacht, aber Patrick hatte keine andere Wahl. Er sagte, er wäre in Frankreich und müsste mit seiner brasilianischen Anwältin über eine juristische Angelegenheit sprechen. Er entschuldigte sich vielmals, dass er ihn zu so früher Stunde zu Hause störe, aber er könne sie nirgendwo sonst ausfindig machen. Es sei eine wichtige Sache, äußerst dringend.
Paulo wollte zunächst nicht reden, aber der Mann am Telefon schien eine Menge über seine Tochter zu wissen.
Sie ist in London, sagte Paulo. Er hätte am Samstag mit ihr gesprochen. Mehr wollte er nicht sagen.
Patrick wartete zwei qualvolle Stunden, dann rief er Sandy an. »Sie ist verschwunden«, sagte er,
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