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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Dunkeln und fragte sich, ob es eine gescheiterte Liebesbeziehung zwischen Gaitonde und Jojo Mascarenas gegeben hatte, irgendeine verworrene Geschichte von Fleischeslust und Verrat, die schließlich zu Mord und Selbstmord geführt hatte. Wahrscheinlich war es so. Männer und Frauen taten einander solche Dinge an.
    »Ich möchte nach Amritsar, Sartaj.«
    Sartaj fuhr hoch. Ma stand in der Tür. »Was?«
    »Ich möchte nach Amritsar.«
    »Jetzt?« Sartaj rieb sich die Augen und schwang die Füße auf den Boden.
    »Are, nein, Beta. Aber bald.«
    Sartaj zog einen Vorhang auf und ließ das Licht hereinströmen. »Und warum plötzlich?«
    Ma strich sein Laken glatt. »Nicht plötzlich. Ich denke schon eine ganze Weile daran.«
    »Möchtest du Chacha und die anderen alle wiedersehen?«
    »Ich möchte ein einziges Mal in den Harmandir Sahib 264 , bevor ich sterbe.«
    Sartaj blieb stehen, die Hand an der Wand. »Sag doch nicht so was, Ma. Da kommst du noch oft genug hin.«
    »Bring mich nur einmal hin.«
    Es wurde Sartaj so schwer ums Herz, daß ihm fast die Stimme versagte. Er ging um Ma herum, nahm seinen leeren Koffer und berührte sie unbeholfen an der Schulter. »Mal sehen, wann ich Urlaub nehmen kann.« Er räusperte sich. »Dann fahren wir hin.«
    Während Sartaj packte, brachte Ma einen Stapel frisch gebügelter Hemden herein. Sie setzte sich aufs Bett und schaute ihm zu. Das hatte sie die vielen hundert Male, bevor er wieder abgefahren war, noch nie getan, und er merkte, wie er unter ihrem Blick langsamer wurde. Er packte seinen Koffer auch sonst ordentlich, doch nun schob er seine Socken mit peinlichster Sorgfalt in die rechteckige Lücke zwischen seinen Hemden und den Hosen. Ma erzählte ihm unterdessen von den Verwandten in Amritsar, und bis Sartaj den Koffer schloß, war es höchste Zeit für ihn geworden, zum Bahnhof zu fahren. Trotzdem blieb er an der Tür stehen, wiederholte seine Peri paunas und versuchte, nicht an den Tag zu denken, als er sich hier zum letzten Mal von Papa-ji verabschiedet hatte.
    Er kam gerade noch rechtzeitig zum Zug, doch anders als sonst konnte er nicht bis zum Bahnhof Dadar durchschlafen. Vor den schmutzigen Scheiben glitten die vertrauten, dunkler werdenden Hügelketten vorüber. Er war diese Strecke viele Male gefahren, und er mochte sie sehr: den langen Tunnel zwischen Monkey Hill und Nagnath, der ihn als Kind so begeistert hatte, die steilen Gefällstrecken und plötzlichen Biegungen, bei denen die Hügel wie ein Bühnenvorhang zurückschwangen und überraschend den Blick auf tiefe grüne Täler freigaben, so daß man staunend aufmerkte und froh war, ein Ziel zu haben. Er empfand ihn noch immer, diesen Schwall der Erregung, doch nun lag darin auch ein Hauch von Heimweh und Verlust. Vielleicht bekamen die Menschen deshalb Kinder: Wenn man nicht mehr mit den Eltern reisen konnte, wurden die Bahnfahrten durch Kinder wieder zu etwas Neuem. Dann sah man die Lichter von Mumbai auftauchen und freute sich, bald zu Hause zu sein.

    »Ja, bring mir Bunty«, sagte Parulkar. »Unbedingt.«
    »Ich, Sir? Nicht einer von Ihren Leuten?« Sartaj meinte damit die speziell auf Gangs angesetzten Männer.
    »Nein, dir vertraut Bunty wahrscheinlich am ehesten. Wenn ich einen von meinen Männern schicke, bekommt er Angst.«
    »Stimmt.« Sie saßen in der Nähe der Haji-Ali-Moschee in Parulkars Wagen. Parulkar wollte zur Polizeidirektion und hatte Sartaj gebeten, sich unterwegs mit ihm zu treffen. Er wirkte freudlos und abgespannt. »Sie haben noch eine Besprechung, Sir?«
    »Ja. Im Moment habe ich dauernd irgendwelche Besprechungen.«
    »Mit dem DIG 172 -saab?«
    »Nicht nur mit ihm. Mit jedem, den ich kriegen kann. Die Regierung will mich um jeden Preis rausdrücken, Sartaj, ich muß also sehen, wer mir helfen kann, drin zu bleiben. Und so renne ich von einem zum anderen.«
    »Sie schaffen das schon, Sir. Sie haben's immer geschafft.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher. Diesmal kann man mit Geld nichts ausrichten, auch wenn ich durchaus dafür zahlen würde. Da gibt es zu viele alte Geschichten. Die hassen mich persönlich, denen bin ich zu muslimfreundlich.«
    »Wegen Suleiman Isa?«
    Parulkar zuckte die Schultern. »Vor allem seinetwegen. Sie haben mich im Verdacht, ihm zu helfen. Die sind so dumm. Die kapieren nicht, daß man, wenn man erfolgreich gegen die eine Gang vorgehen will, mit der anderen Informationen austauschen muß. Die wissen nur, wer der Böse ist. Sie sind Politiker und selbst Gangster,

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