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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Familie gesehen hatte, und seitdem hatte sie nicht mehr aufgehört zu reden. Sie trug die Mangalsutra auch jetzt, zusammen mit einer zweireihigen Goldkette.
    »Dieser Bipin Bhonsle ist ein solcher Betrüger«, sagte sie. »Vor den Wahlen hat er uns eine zusätzliche Wasserleitung für die Siedlung versprochen, und was ist jetzt? Die neue Wasserleitung ist nie gekommen, und die alte hat alle zwei Wochen ein Leck. Drei Kinder und kein Wasser, das ist wirklich das letzte.«
    »Dann wählt ihn nächstes Mal nicht mehr«, sagte Katekar.
    »Das geht nicht, Dada«, sagte Vishnu. »Er hat zu gute Beziehungen. Und die anderen Kandidaten in dem Wahlkreis, das sind alles Gadhavs. Von denen schafft es keiner. Eine Stimme für die wäre verschenkt.«
    »Dann müßt ihr einen guten Kandidaten finden.«
    »Are, Dada, wer würde schon gegen Bhonsle antreten? Und wo findet man heutzutage noch gute Kandidaten? Man braucht jemanden, der etwas aushält, der ausgezeichnete Reden halten kann, der bei den Leuten ankommt. Solche Typen gibt es gar nicht mehr. Man braucht einen einzelnen Riesen, aber es gibt nur noch Scharen von Zwergen.«
    Shalini beugte sich zur Seite, wischte sich die Hände ab und strich ihren Sari über den Knien glatt. »Ihr sucht nur nicht an der richtigen Stelle«, sagte sie.
    Vishnu sah sie überrascht an. »Kennst du jemanden?« fragte er.
    Shalini zeigte mit beiden Händen auf Bharti. »Die da.«
    »Was?«
    Katekar schüttete sich aus vor Lachen, mehr über Vishnus bestürzte Miene, sein Entsetzen bei der Vorstellung, seine Frau könnte zur Riesin werden, als über Shalinis Scherz, aber die Kinder stimmten ein, und im nächsten Moment bogen sich alle vor Lachen.
    »Meine Schwester Bharti ist mutig und unerschrocken«, sagte Shalini, »sie beeindruckt jeden mit ihrem Stil, und niemand kann Reden schwingen wie sie. Sie sollte Mantri 399 werden.«
    Vishnu hatte inzwischen begriffen, daß Shalini nur Spaß machte, und grinste gezwungen, so daß sich seine Unterlippe über die unteren Zähne spannte. »Ja, Taai 609 , sie gäbe tatsächlich eine gute Ministerpräsidentin ab. Sie hätte jeden an der Kandare.«
    Bharti hielt sich beide Hände vor den Mund. »Are, Deva, das ist nichts für mich. Was redest du denn da, Taai? Ich habe schon mit den Kindern alle Hände voll zu tun, da will ich nicht auch noch fünfzigtausend andere Leute unter mir haben.«
    Katekar wollte sich noch dazu äußern, wie sie die fünfzigtausend unter ihr mit ihrem Gewicht zermalmte, besann sich aber und begnügte sich mit einem Schnauben bei der Vorstellung, wie sich Vishnus Gesicht unter ihren ausladenden Hüften knautschte. Vishnu schaute unsicher drein und lachte schließlich mit.
    Nachdem Katekar aufgegessen hatte, spazierte er mit Vishnu am Wasser entlang. Er hatte die Hosenbeine hochgerollt und seine Schuhe bei Shalini gelassen. Er liebte es, über den nassen, vom Meer geglätteten Sand zu gehen, ihn unter den Fußsohlen zu spüren. Vishnu hielt Abstand, damit seine Sandalen nicht naß wurden. »Dada«, sagte er und sprang vor einer auf den Sand schwappenden Welle zurück. »Irgendwann mußt du mich auch mal zahlen lassen. Sonst wird es peinlich für uns hierherzukommen.«
    »Die Diskussion hatten wir doch schon, Vishnu. Ich bin der Altere, also zahle ich.« Ärger wallte in Katekar auf. Es war dumm, daß sein Stolz ihm verbot, etwas zu essen, was Vishnu bezahlt hatte, aber er konnte Vishnus Selbstgefälligkeit, seine Genugtuung über den eigenen Erfolg nun einmal nicht ertragen.
    »Schon gut, Dada.« Vishnu hob die Hände. »Sorry. Verdienst du jetzt gut?«
    »Ich komme klar.« Sein Schwager hatte natürlich gesehen, daß er mit einem Tausender gezahlt hatte. Dem wachsamen Vishnu entging nichts.
    Vishnu stieg nachdenklich über einen zerfransten Palmzweig. »In dem Alter müßtest du viel mehr verdienen, Dada.«
    »In welchem Alter?«
    »Deine Söhne werden groß, sie werden eine gute Ausbildung brauchen, gute Kleidung und so weiter.«
    »Und du meinst, das kann ich ihnen nicht bieten?«
    »Du regst dich schon wieder auf, Dada. Ich sag lieber nichts mehr.«
    »Nein, sag, was du meinst.«
    »Nur eins, Dada: Dieser Sardar-Inspektor von dir, dieser Chutiya, der wird nie auf einen grünen Zweig kommen.«
    »Ich habe alles, was ich brauche, Vishnu.«
    Vishnu senkte den Kopf und sprach sehr sanft weiter: »Schon, Dada, aber ich verstehe nicht, warum du immer noch bei ihm bist. Du könntest doch mit Leichtigkeit einen anderen Posten

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