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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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gehen sie beide glücklich zur Wahlkabine, ihre Körper fühlen sich in dieser seligen Vernebelung ganz leicht an, und sie vergessen völlig, daß dieser miese khakigewandete Politiker seit Jahren nichts für sie tut, daß er geraubt und gestohlen und vielleicht sogar gemordet hat. Das alles ist vergessen, dahin, das glückliche Paar gibt seine Stimme ab, und der Diener des Volkes ist wiedergewählt, um ihnen weiterhin Roti, Kapda und Makaan 536 vorzuenthalten. Hungrig, nackt und ohne Dach über dem Kopf, erinnern sie sich nach dem genossenen Fleisch an nichts mehr. Und so füttert man Schafe mit Ziegen, um sie in die richtige Richtung zu treiben, zum Schlachthaus. Es ist ganz einfach.
    Doch ich hatte meine eigene Intrige gesponnen. Seit zwei Tagen ließ ich Gerüchte streuen. Meine Jungs gingen auf die Märkte, die Bazaare und in die Restaurants der Kongreß- und RPI-Gegenden 537 und flüsterten: »Am Wahltag kommen die Gundas 250 , es sind Schläger angeheuert worden.« Ein Gerücht ist die wirksamste Waffe, die es gibt, egal wo - man setzt es kostenlos in die Welt, und es wächst, mutiert, gebiert neue Gerüchte. Morgens pflanzt man irgendeinem Ladenbesitzer ein sich windendes Würmchen ins Ohr, und am Abend gehen dann hundert wolkenkratzergroße Ghatotkachas 223 im ganzen Land um. Die gegnerischen Wähler waren jetzt also in der richtigen Verfassung, von einer klebrigen Marinade der Angst überzogen. Nun war es an der Zeit, das Feuer zu schüren. Ich hatte dreißig Motorräder mit abmontierten Nummernschildern bereitstellen lassen. Jedes wurde mit zwei Jungs besetzt, deren Gesichter mit Daku-Tüchern 143 verhüllt waren, und der Sozius bekam mehrere Tüten mit Sprudelflaschen mit, einen Kasten pro Motorrad. Sie knatterten los, brausten hupend durch feindliches Gebiet und leerten die Straßen mit ihren Flaschen, sie schüttelten sie ein paarmal und schleuderten sie dann auf die wenigen Bürger, die es noch wagten, draußen herumzulaufen. Diese Glasflaschen fliegen wie Schrapnells, doch es ist ihr ohrenbetäubendes Zerplatzen, das die gewünschte Wirkung erzielt und die Bürger zitternd und mit vollgepißten Hosen nach Hause hasten läßt. Die Jungs amüsierten sich prächtig, während sie durch die morgendliche Kühle fuhren und ihren Wurfarm trainierten. Chhota Badriya kam singend und mit geröteten Wangen zurück. »Noch mehr, Bhai?« brüllte er von der Straße zu mir herauf. Ich saß auf dem Dach, auf dem Wassertank. »Gibt's noch mehr zu tun?«
    »Bas, Badriya, bas«, sagte ich. »Beruhige dich. Es reicht. Jetzt tritt die Polizei auf den Plan.«
    »Krach, peng, die Flaschen sind richtig explodiert, Bhai.«
    »Ich weiß.«
    »Ein Mordsspaß, Bhai.«
    »Ich weiß. Jetzt setz dich schön ruhig hin, nächstes Jahr machen wir es vielleicht wieder.«
    Und sie kam, die Polizei, sie eilte in die betroffenen Gebiete, Gewehre und Lathis parat. Inspektor Samant schlich sich kurz weg und rief mich von einer Telefonzelle aus an. »Der DCP-saab und der ACP 007 -saab sind da, Bhai«, sagte er. »Alle sind in Aktion. Wir patrouillieren durch die Straßen. Um Ruhestörungen vorzubeugen, verstehen Sie.«
    »Gut, gut«, sagte ich. Bipin Bhonsle hatte auch die Polizisten bezahlt, bis in die obersten Ränge. Sie würden für die richtige Art von Ruhe sorgen. »Zu weiteren Ruhestörungen dürfte es nicht kommen. Sehen sie irgend jemanden auf der Straße?«
    »Niemanden, weder Mann noch Frau. Nur drei Hunde.«
    »Gut«, sagte ich. »Die typischen Kongreß-Wähler. Lassen wir sie gehen.«
    Ich lachte und legte auf. Mehr als dies brauchte es nicht, damit der Gegner zu Hause blieb und das Schlachtfeld uns überließ. Keinen Urnendiebstahl, keine Stimmenfälschung, nur dies. Inzwischen waren meine Jungs in unserem Sektor unterwegs. »Wir sind vom Komitee für faire Wahlen«, erklärten sie und brachten die Wähler in Zehner- und Zwanzigergruppen zu den Wahllokalen. »Alles ist ruhig und friedlich«, sagten sie. »Kommen Sie, kommen Sie.« Und die Wähler kamen, von Eskorten geschützt, und wurden vor den Wahlkabinen von Bipin Bhonsles Männern, die hübsche gelbe Parteibuttons trugen, lächelnd empfangen. Die Wähler traten einer nach dem anderen ein, wurden allein gelassen, setzten ihr kleines schwarzes Kreuz auf den Wahlschein, der zusammengefaltet mit leisem Rascheln durch den Schlitz der hölzernen Wahlurne rutschte, die Schlangen bewegten sich zügig, die demokratische Maschinerie lief wie am Schnürchen, mit etwas Nachhilfe von

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